Eigentlich wollten wir nach Warendorf. Da ist aber dieses Wochenende Pferdenacht und auf die Party haben wir gerade keine Lust. Lieber wieder mal eine gemütliche Wanderung am Diemelsee. Dass der Wasserpegel dort nach der langen Trockenheit nicht gerade hoch sein würde – damit war zu rechnen. Aber so wenig Wasser … Und dann noch der Schock auf dem Rückweg der Wanderung.



Wer im Mai unter der Seebrücke durch wollte musste schwimmen

Das letzte Mal waren wir hier im Mai und da war der See so voll wie wir ihn noch nie gesehen haben. Nun das krasse Gegenteil. Eigentlich wollte ich hier ein letztes Mal in diesem Jahr baden, aber über das sonst klare Wasser treiben stellenweise kleine grünliche Schwebeteilchenteppiche. Nicht sehr einladend. Der Diemelsee bei Niedrigwasser – kein angenehmer Farbkontrast zwischen dem Blau der großen Wasserfläche und dem Grün der angrenzenden Wiesen und Bäume. Nur braune Schotterflächen, die an Steinwüsten erinnern. Schrecklich.

Wirklich? Hat man sich erst mal von der Postkartenidylle verabschiedet, entfaltet diese spätsommerliche Landschaft ihren eigenen Reiz. Ist doch mal was anderes und sieht mit der richtigen Perspektive abgelichtet gar nicht mal so übel aus. Natürlich ist die Aussicht gerade jetzt auch ein Denkmal. Als wir später zusammen mit anderen am ehemaligen Ufer stehend die Leere tief unten betrachten, wird jemand sagen: „Alle reden über die Knappheit von Öl und Gas. Die sollten mal übers Wasser nachdenken.“


Pflaumenkuchen schmeckt mit Sahne immer noch am besten.

Ich habe von zuhause einen meiner Lieblingskuchen mitgebracht. Der Kommentar meiner Mitfahrerin klingt nicht gerade erfreut: „Pflaumenkuchen ohne Sahne!?!“ Aber wie das Leben so spielt – just als der Kuchen auf dem Tisch steht kommt einer der beiden Eiswagen vorbei, die hier im Sommer melodisch die Parkplätze abfahren. Perfekt.


Niedrigwasser ist, wenn dir beim Hinunterschauen von der Staumauer schwindelt

Frisch gestärkt greifen wir uns die Räder und machen uns auf den Weg um den See herum. Ausnahmsweise nehmen wir das erste Stück nicht die Hauptstraße, sondern radeln umsichtig auf der Uferpromenade, die eigentlich nur Fußgängern zugänglich ist. Hier ist die Aussicht viel schöner und außerdem klackern die Pflastersteine so schön unter den Rädern. An der Staumauer angekommen schauen wir hinunter auf die Wasseroberfläche. Ganz schön tief.

Der schnuckelige Bäcker


Raststätte mit kalten Erfrischungs-getränken und Erste-Hilfe-Box

Samstag morgen und ich bin auf dem Weg zu meinem ersten Frühstück – wie immer beim Aufenthalt am Diemelsee zur schnuckeligen Bäckerei Gerhardt in Giebringhausen, drei Kilometer vom Stellplatz entfernt. Die Straße hinter der Seebrücke rechts (K71) führt mit leichter Steigung direkt in den kleinen Ort. Ich empfehle euch für den Hinweg allerdings die schönere Strecke am Klärwerk vorbei. Die führt durch ein kleines „Tal“ an der Diemel entlang. Dieser Weg ist besonders reizvoll zu Fuß in der frühmorgentlichen Stille, wenn – wie im Mai erlebt – der Nebel über der Weide aufsteigt und ein Raubvogel langsam an dir vorbei segelt.

Warum schnuckelige Bäckerei? Tja, diesen Laden muss man einfach mal besuchen. Das Personal ist nicht nur supernett, auch die Atmosphäre ist … irgendwie anders. Vielleicht ist es die dörfliche Umgebung: (fast) alle die im Laden stehen kennen sich wohl und man kauft dort nicht nur Brötchen, sondern plaudert auch ein wenig. Über ein großes Fenster links im Verkaufsraum kann man direkt in die Backstube hinein sehen. Und seit kurzem haben die draußen vor der Tür sogar eine Raststätte für Radfahrer, wie ich sie so noch nie gesehen habe. Mit kalten Erfrischungsgetränken und Erste-Hilfe-Kasten. Okay, und jetzt der Downer: Die Croissants sind nicht so dolle. Vergleichbar mit denen bei uns zuhause.

Als ich mich auf den Rückweg machen will, sehe ich den Semmel-Express vor der Bäckerei stehen. Das ist der kleine Lieferwagen, mit dem der Bäcker seine Ware in der Gegend anbietet – unter anderem auch an der Seebrücke. Ich frage die Fahrerin, ob sie immer noch an der Brücke hält. „Morgen das letzte Mal“ war die Antwort und wie bisher immer um 8 Uhr. Okay, wenn ich Sonntag mal nicht aus den Federn komme ...

Der Panorama-Weg


Unsere Tour beginnt an der Seebrücke

Nach dem Frühstück mit meinem Schatzi machen wir uns bereit für die Tageswanderung. Marianne hat zwar an ihre Nordic-Walking-Stöcke gedacht, die Wanderschuhe aber nicht mitgenommen und das wird sie später noch bereuen. Wir gehen hinter der Seebrücke rechts etwa 150 Meter in Richtung Giebringhausen. Dann geht es links ab den Berg hoch. Der relativ enge Einstieg in den Weg scheint nur die private Zufahrt zur Villa links oben im Wald zu sein. Tatsächlich aber geht der Weg weiter Am Rasenberg hoch, vorbei am 446 Meter hohen Estenberg und ein Stück die Seestraße in Richtung Adorf entlang. Dann kommt der schöne Teil.


Wer sperrt da seine Kühe so eng ein?

Kurz vor der Abzweigung in die Weidelandschaft hinein: ein kleines Stück Land mit einer Herde eng zusammen hockender schwarzbunter Kühe. Wir fragen uns, welcher Bauer hier sein Milchvieh in ein so kleines Gehege sperrt. Beim Weitergehen bemerken wir, dass sich die Rinder alle auf einer großen Weide befinden. Warum die sich alle da oben in der Ecke versammeln? Keine Ahnung.



Super Wetter und beste Aussichten – wir lieben das.

Es geht sachte bergauf, und schnell werden wir mit der ersten schönen Aussicht belohnt. Hier machen wir meistens Rast und genießen den Blick ins Tal. Dann steigen wir in den Panorama-Weg ein, der uns weitere Aussichten beschert. Unseren absoluten Lieblings-Aussichtspunkt, den Eisenberg, wollen wir heute mal nicht ansteuern. Stattdessen gehen wir über den H2 – an dieser Stelle eine schmale Straße – den Berg wieder hinab. Und da passierte es: ich höre einen Schmerzenslaut, drehe mich um und sehe noch wie Marianne auf den Asphalt knallt.


Blick vom Eisenberg (Aufnahme vom letzten Jahr)

Sie ist mit dem Fuß in einem Loch der Straße umgeknickt und hat im Fall mit den angeschnallten Stöcken keine Möglichkeit gefunden den Sturz abzufedern: Schramme am Bein und Rippenprellung. Nach einer kurzen Erholungspause probieren wir, ob sie noch laufen kann. Geht. Wir schleichen zurück. Der schöne Teil der Wanderung ist zu Ende.

Am nächsten Tag ist Ruhetag. Wir machen in Heringhausen nur noch einen kleinen Spaziergang die Promenade entlang. Ich habe zwischendurch genügend Zeit für ein paar Schotter-Fotos. Hätten wir doch nach Warendorf fahren sollen? Für Marianne war es bis zum Unfall ein superschönes Wochenende. Verbuchen wir es mal unter „schmerzvolles Lehrgeld“. Es hätte schlimmer kommen können.