Freitag 8. Juli um 16 Uhr. Angekommen. Wir stehen wieder am De Baalje, dem Freizeitbad von Aurich. Der Stellplatz ist erstaunlich leer. So können wir wieder in unserer Lieblingsecke Platz nehmen. Wir wollen unsere Radtouren zum wunderschönen Café unterm Segel und zum Upstalsboom nochmal filmen. Hoffentlich macht uns das Wetter keinen Strich durch die Rechnung.


Der einzige Platz mit wenigstens etwas Schatten
Der Stellplatz

liegt direkt am Hallen-/Freibad in Aurich und bietet ganzjährig Platz für 20 Wohnmobile. Die meisten der beleuchteten Plätze sind eben, mit befestigtem Untergrund und ohne Schatten. Am Platz befinden sich: Frischwasser, Strom, Entsorgung Grauwasser, WC und Dusche (beides im Bad). Hunde sind erlaubt. In der Nähe: Historische Altstadt mit Marktplatz, Freizeitbad, Kletterwald, Hafen, Schiffsausflüge, Paddel & Pedal-Station.

Preis pro Nacht: 10 Euro. Strom: 1 Euro/kWh, Wasser: 10 Cent/10 Ltr., Entsorgung Chemie-WC: 1 Euro, Dusche (im Bad): 1,50 Euro/30 Min.

Ein anderer Kasten ist bei unserer Ankunft gerade beim Umziehen. "Kein Empfang" antwortete uns der Fahrer auf die Frage nach dem Grund dafür. Tatsächlich sind in der Ecke die beiden einzigen Plätze mit einem Baum direkt daneben. Und der spendet nicht nur SAT-Schatten sondern am späten Nachmittag auch Solar-Schatten – für uns also ideal.

Wir waren Ostern auf unserer Ostfriesland-Tour schon einmal hier und deswegen erspare ich mir die allgemeinen Infos zur Stadt. Wenn dich das interessiert, dann schlage hier  nach. Im Osterbericht bringen wir auch die neuen Bilder über den Upstalsboom und das Café unter, die wir jetzt machen werden. So bekommst du diese Themen nicht zerstückelt vorgestellt.


Der Stellplatz am Hallenbad in Aurich

Und was machen wir Neues hier in Aurich? Wir werden zwei Museen besuchen: das historische  in der Innenstadt und die Stiftsmühle  etwas außerhalb der City.

Historisches Museum

Auch hier habe ich im Frühjahr schon einmal vor der Tür gestanden, weil ich etwas über ostfriesische Geschichte lernen wollte. An der Kasse sagte man mir, dass dieses Museum schwerpunktmäßig die Stadt Aurich behandelt und das schien mir damals noch zu begrenzt. Ich werde in einer Woche in Emden lernen, dass das ostfriesische Landesmuseum  dort für dieses Vorhaben besser gewesen wäre. Mittlerweile weiß ich aber schon ein bisschen über die Gegend hier und bin bereit für die Vergangenheit von Aurich.

Dauerausstellung im
historischen Museum

Kirchen und Klöster vor den Toren der Stadt: Friesische Freiheit, Kirchenbau
Geest und Stadt: Besiedlung der hohen Geest und Anfänge der Stadt
Burg und Schloss: Kampf um die Vorherrschaft, Leben am fürstlichen Hof
Blütezeit der Bürger: Herrschaft nach dem Ende der Fürsten, Ausstattung eines biedermeierlichen Wohnzimmers
Aurich im Kaiserreich: Erziehung der Jugend für Kaiser und Vaterland in der Garnisonsstadt Aurich
Ostfriesland in Kriegsnöten: Die Zeit von 1914 bis 1945
Aurich als Mittelzentrum: Aufbau am Ende des 2. Weltkriegs, 50er-Jahre

Zur ausführlichen Themenbeschreibung 

Die Ausstellung beginnt mit „Kirchen und Klöster vor den Toren der Stadt“ und das interessiert mich auch am meisten: Hier wird der Upstalsboombund vorgestellt, den die friesischen Gemeinden im Mittelalter bildeten. Alljährlich versammelten sich die Mitglieder am Upstalsboom  in Rahe, wählten den Abt von Ihlow zu ihrem Schiedsrichter und schworen sich Treue und Frieden.

Die Nordsee sicherte ihre wirtschaftliche Existenz, war aber auch eine ständige Gefahr für Leben und Besitz. Sturmfluten gefährdeten den Küstenstreifen und drohten immer wieder, die ertragreichsten Gebiete des Landes zu vernichten. So errichteten die Friesen im 10. Jahrhundert gewaltige Deiche. Das war nur durch gemeinsames Handeln aller möglich. Gemeinsam trugen die Friesen nicht nur die Verantwortung für den Deichbau sondern auch für die Landesverteidigung.

Als sie im 9. Jahrhundert für König Karl gegen die Römer in den Krieg zogen, erhielten sie für ihre Tapferkeit ein besonderes Privileg, die „Friesische Freiheit “ – sie waren fortan frei von Steuern und Abgaben an König und Kirche und vor allem von der Wehrpflicht für den König.


Die freien friesischen Länder um das Jahr 1300

So erzählt man es sich. Wahrscheinlich war es aber nicht wie oft geschrieben Karl der Große, sondern Karl der Dicke. Und es ging auch nicht um die Römer, sondern um die Abwehr der Wikinger. Wie dem auch sein, auf jeden Fall konnte sich wegen des Festhaltens an die genossenschaftliche Organisation der autonomen Landesgemeinden kein flächendeckendes Herrschaftssystem entwickeln. Und das ist in der Tat einzigartig in Deutschland.


Modell des fürstlichen Schlosses

Zur Blütezeit um das Jahr 1300 umfasste das Reich der „Freien friesischen Länder“ 27 Landesgemeinden. Wie so häufig sind es dann Krisen (in diesem Fall die Pest und große Sturmfluten), die solche Systeme ins Wanken bringen und ehrgeizige, einflussreiche Familien an die Macht spülen. Am Ende wurde Ostfriesland 1464 unter der Familie Cirksena  zur Grafschaft erhoben – eine Herrschaft, die später zum Fürstentum aufstieg und erst 1744 nach Einnahme von einem Glas Buttermilch endete.


Hinweisschilder auf der A 28 bei Filsum und A 31 bei Neermoor

Interessanterweise findet man in Aurich an vielen Stellen Bezüge zur friesischen Freiheit, ja es gibt seit 2009 sogar Schilder an der Autobahn, die auf diese „Sehenswürdigkeit“ hinweisen. Gleichzeitig wird sowohl im Museum als auch in der Stadt der Erinnerung an die fürstlichen Cirksena, die ja neben anderen für das Ende dieser Freiheit stehen, viel Raum gelassen.

Das historische Museum in Aurich ist lehrreich, interessant und – vor allem auch für Jugendliche – gut gemacht. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Wir waren jetzt zwei Stunden drin, und da es mitten in der Innenstadt liegt, ist der Weg zur nächsten Eisdiele nicht weit. Nach der Kaffeepause beschließen wir, auf dem Rückweg zum Stellplatz noch an der Stiftsmühle vorbei zu fahren.

Die Stiftsmühle – das Wahrzeichen von Aurich


Weil Flügel und Achsen gerade renoviert werden, sieht die Kappe der Mühle aus wie ein Baum im Winter.

Leider haben wir die Zeit der Führungen verpasst. Der freundliche Müller (ehrenamtlich) am Eingang fordert uns auf, trotzdem mal nach oben zu gehen. Es wäre alles gut beschildert, was ich mal als „selbsterklärend“ interpretiere. Dem ist aber nicht so.

1977 rettete der Heimatverein Aurich die 180 Jahre alte, höchste zu besichtigende Mühle Ostfrieslands vor dem Verfall und baute sie zu einem Museum aus. Auf den fünf Böden des Bauwerks wird die Entwicklung und die Bedeutung der Windmühlentechnik lebendig veranschaulicht. Du erfährst anhand von Originalexponaten, Modellen und Schautafeln viel über den Weg vom Korn zum Brot. Auch die Entwässerung der Niederungen Ostfrieslands durch windbetriebene Wasserschöpfmühlen ist dargestellt.

Ja, stimmt, es gibt mehr zu sehen und mehr Text zu lesen als erwartet, aber durch die vielen Exponate verliere ich schnell den Blick für den grundlegenden Ablauf bei der Verarbeitung vom Korn zum Mehl. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir nach unserem Rundgang im historischen Museum etwas lätschert sind. Wie dem auch sei – auch diese Ausstellung lohnt sich. Aber besser mit Führung und nicht im Doppelpack. Wir plaudern nach dem Abstieg noch eine Weile mit dem freundlichen Müller, der unsere Fragen gern und ausführlich beantwortet – fast so als wäre er froh, am späten Nachmittag noch mit Leuten zu reden.

Interessante Gebäude


Ein verbessertes Gebäude? Nein, eine Kirche eines reformierten Glaubens

Die Reformierte Kirche Aurich  ist nicht nur sprachlich eine interessante Konstruktion. Es ist der einzige klassizistische  Zentralbau im Weser-Ems-Gebiet. Das Gebäude ist als Rundbau konzipiert mit einer von acht korinthischen Säulen getragenen Kuppel. Nach einer Spende Napoleons in Höhe von 15.000 Francs errichtete die Gemeinde in den Jahren 1812 bis 1814 dieses Gotteshaus. Der Bau brachte die Gemeinde allerdings an den Rand des Ruins, da er bei der Fertigstellung fast das Fünfzehnfache der Spende Napoleons kostete. Kostensteigerungen am Bau sind offenbar keine moderne Erscheinung.


Modell der Kirche

Im historischen Museum habe ich ein Modell der Kirche gesehen, an dem man gut die eigentümliche Bauweise erkennen kann. Ich würde mir deshalb gerne das Innere angesehen, aber in den Sommerferien sind die Türen leider nur von 11 bis 12 Uhr zur Besichtigung offen (sonst 10 bis 18 Uhr). Von der Lambertikirche  habe ich im Museum ein Bild des Flügelaltars gesehen. Auch den würde ich mir gerne live ansehen. Auch geschlossen.


Pingelhus, ostfriesische Landschaft und Blick in den Georgswall

Sehenswert sind auch das Pingelhus  und das Landschaftshaus (der ostfriesischen Landschaft) an der Stelle des alten Hafens. Am Pingelhus läutete (= klingeln = pingeln) früher immer eine Glocke, wenn Schiffe ausfuhren. Das untere Stockwerk des ehemals zweigeschossigen Bauwerks verschwand 1934 beim Zuschütten des Hafens.

Die seit über 500 Jahren bestehende ostfriesische Landschaft  war ursprünglich die Vertretung der ostfriesischen Bevölkerung gegenüber dem Landesherrn und hat sich im Laufe der Zeit im Rahmen der friesischen Freiheit erstaunlich viele Rechte sichern können. Heutzutage widmet sich die Landschaft hauptsächlich der heimatgebundenen Kulturpflege. Im schmucken Neu-Renaissance-Gebäude ist denn auch die größte wissenschaftliche Bibliothek Ostfrieslands untergebracht.

Ach ja, und dann gibt es da noch ein Schloss . Das ist aber nicht mehr das der fürstlichen Cirksena, sondern ein auf dessen Grundmauern 1851-55 neu errichteter Prachtbau, in dem sich heute Landgericht und Teile des Finanzministeriums befinden. Besichtigen kann man deshalb nur den Turm.

Und was sagen wir nun zu Aurich? Tja, es ist nach Emden die zweitgrößte Stadt Ostfrieslands und deshalb vielleicht auch nicht besonders schmuckvoll. Aber im Gegensatz zu manch anderer Stadt dieser Größe hat es eine lebhafte Fußgängerzone ohne viel Leerstand und für entspannte Spaziergänge stehen viele parkähnliche Bereiche rund um die City herum bereit. Für historisch interessierte Leute gibt es viel zu entdecken und die Radtouren entlang des Jade-Ems-Kanals halten jede Menge schöne Ausblicke bereit. Letzteres beschreiben wir hier .

Wir finden Aurich gut.