Aurich hat zwar keine besonders reizvolle Innenstadt, dafür aber ein interessantes Umfeld: Ein uraltes Grab, ein alter Versammlungsort, ein schöner Badesee mit vielseitigem Angebot und ein superschönes Café.

Klar, ich war schon einmal in Aurich. Das ist aber schon so lange her, dass mir nichts mehr dazu einfällt. Und wenn wir schon mal in Ostfriesland sind …


Der Stellplatz am Freizeitbad, Radtour nach Tannenhausen

Wir kommen am Sonntag an und stellen uns auf den Platz am Freizeitbad De Baalje  (ostfriesisch für Badewanne) mitten in Aurich. Der Stellplatz hat alles was wir Wohnmobilisten brauchen: Entsorgung, Versorgung, Strom und für den sanitären Bedarf stehen Duschen und WC in der Badewanne zur Verfügung. Die Innenstadt ist nur zehn Minuten Fußweg entfernt.

Aurich-Nord-Tour


Der Tannenhausener See: Klares Wasser und ein langer Strand

Auf ihrer Tourismus-Seite  stellt die Stadt Aurich vier Radtouren vor. Wir fahren als erstes den oberen Teil der Nordtour zum Badesee Tannenhausen , den zumindest die Marketingleute der Stadt wegen des weißen Kiesstrandes auch das Rimini Ostfrieslands nennen. Okay, der lange Strand, die vielseitige Gastronomie, das klare Wasser und die Ockerfarben (reetgedeckte Sonnenschirme!) geben dem großflächigen Gelände schon so etwas wie südliches Flair. Und wer mal eine Runde mit Wasserski oder Wakeboard drehen möchte kann das im oberen Teil des Sees auch tun. Wir schauen uns die Geschicklichkeitsübungen dort eine ganze Weile an.


Der kleinste Erdholländer in Niedersachsen

Auf dem Weg zum See kommen wir an Meints Mühle vorbei. Die ist nur 6,5 Meter hoch und damit der kleinste Erdholländer in Niedersachsen. Bei einem Erdholländer reichen die Flügel bis nahe (0,60 bis 1 m) an den Boden heran. Die Kappe der Mühle wird nicht über eine Windrose in den Wind gedreht, sondern mit einem langen Balken (Steert  genannt) über ein Drehkreuz mit Muskelkraft. Am Anfang dieses etwas älteren, schwarzweißen Videoclips  kann man sehen wie das funktioniert.



5000 Jahre alt: das Großsteingrab …
… ist bewohnt.

Nicht weit von der Mühle entfernt liegt das Großsteingrab Tatenhausen. Oder besser: Dort lag es, denn die Anlage wurde im Zuge der Christianisierung und des damit einhergehenden Kirchenbaus zerstört. Die drei ursprünglichen im Original erhaltenen Findlinge – im Volksmund auch "Butter, Brot und Käse (Botter, Brood und Kääs") genannt – wurden 2014 um sieben weitere mannshohe und jeweils zirka 5 Tonnen schwere Steine aus Mecklenburg-Vorpommern ergänzt, um die Ausmaße des Großsteingrabes zu veranschaulichen. Überraschung: Man kann in die Grabkammer hineinsehen und dort liegt – im Halbdunkel nur schwer erkennbar – auch ein Steinzeitmensch samt Grabbeilagen. Es dauert einen Moment bis ich näher kommend realisiere, dass es sich dabei um eine Gemälde an der hinteren Wand handelt. Cool.

Auch den kleinen Rundgang um das Grab herum hat die ostfriesische Landschaft  (eine Art kommunaler „Heimatverein“) zur Pflege gut gestaltet. Hier erfährst du viel über die Menschen der Trichterbecher-Kultur, die dieses Grab errichtet haben. Die Infos sind mit vielen Bildern illustriert, so dass auch Kinder und Jugendliche schnell einen Zugang finden.

Hoch hinaus – ja, aber nicht der Fahrradträger


Fahrräder klauen? Nicht ohne Leiter.

Am nächsten Tag sitzen wir beim Frühstück und mir fällt der Fahrradträger unseres Nachbarn auf, der hoch oben an den Hecktüren des Kastenwagens befestigt ist. Marianne hat auch schon beobachtet, wie ein älteres (Ehe-)Paar mit einer kleinen Stehleiter zu zweit die Räder dort hinauf gewuchtet hat. Okay Leute, wenn ihr euch gerade mit der Anschaffung eines Trägersystems befasst, gleichzeitig aber wie wir auf die Rente zubewegt, dann bedenkt, dass der Punkt, ab dem solche Übungen nicht mehr möglich sind, vielleicht schneller kommt als das Gnadenbrot fürs Wohnmobil. Wir jedenfalls sind froh, dass wir uns für einen Träger auf der Anhängerkupplung entschieden haben.

Nordtour im Süden


Ein schöner, klarer Tag am Kanal

An einem anderen Tag fahren wir auf dem südlichen Teil der Aurich-Nordtour. Die Sonne meint es gut zu uns und der Himmel färbt das Wasser des Jade-Ems-Kanals tiefblau. Okay, Wasserstraßen haben wir auch bei uns zuhause, aber die Geradlinigkeit dieses Gewässers, das platte, vegetationsarme Land sowie die immer wieder auftauchenden Hubbrücken sind für unsere Sehgewohnheiten noch neu und geben der Tour einen ungewöhnlichen Charakter.


Der Krieger weist den Weg

Wir kommen unterwegs an einem Café vorbei, dass ich allerdings nicht weiter bemerke, aber Marianne hat sich schon längst einen Knoten ins mentale Taschentuch gemacht. Es geht weiter nach Rahe, dass wir erst nach einigen Umwegen erreichen. Wir werden später erst die Auricher Nordtour im Internet entdecken und fahren zur Zeit noch mehr oder weniger planlos nach Stadtplan (Google Maps). In Rahe folgen wir der Beschilderung zum Upstalsboom und als ich den Krieger am rechten Straßenrand sehe, da vermute ich, dass es nicht mehr weit sein kann.


Einbiegen in den Weg zum Upstals-boom (im Sommer aufgenommen)

Wir biegen nach links in einen breiten Waldweg ein und schon ist die Atmosphäre eine andere. Eben noch im hellen Sonnenlicht und jetzt im Halbdunkel eines Hains, auf einem schnurgeraden Pfad zu einer geschichtsträchtigen Stelle. Wer sich nicht schon vorher über den Ort informiert hat kann sich über die zwei Reihen mit kleinen Infotafeln rechts und links des Weges in Stimmung bringen lassen.


Treffpunkt der freien Friesen (Aufnahme vom Sommer)

Ich aber fahre direkt weiter zum Denkmal , eine aus Findlingen aufgetürmte Pyramide. Hier ist also der Ort, an dem sich vor rund 1000 Jahren die Vertreter der 27 autonomen ostfriesischen Landesgemeinden trafen und gegenseitig Treue und Frieden schworen.

Die Stelle lädt zum Verweilen ein. Die Pyramide steht auf einem kleinen Hügel und fast scheint es so, als würde hier durch forstwirtschaftliche Maßnahmen absichtlich dafür gesorgt, dass diese Erhebung wie eine Lichtung von der Sonne ausgeleuchtet wird. Man schaut so aus dem Schatten der Bäume heraus auf ein erleuchtetes Denkmal. Ein eigentümliches Gefühl.

Apropos Denkmal: Die 1833 errichtete Pyramide selbst soll gar nicht an die Friesische Freiheit erinnern, sondern an die Gefallenen der Befreiungskriege gegen Napoleons Frankreich. Egal, hat ja auch mit Freiheit zu tun. Wenn man aber bedenkt, dass diese Kriege für die Bürger damals nicht die Freiheit gebracht haben, die sie sich davon erhofft hatten …


Zu schön um schnell mal einen Kaffee zu trinken (Sommer 2022)

Wir fahren zurück. Normalerweise nehmen wir ungern den gleichen Weg zurück, aber Marianne hat ja noch einen Knoten aufzulösen. Und so landen wir im schnuckeligen Café unterm Segel. Und das gefällt uns richtig gut. Die Betreiber haben ihr direkt am Kanal liegendes Wohnhaus mit der großen Grünfläche zum Kaffeegarten umgestaltet. Dabei sind mehrere Sitzecken mit jeweils unterschiedlichem Mobiliar entstanden. Genauso individuell geht es weiter beim Geschirr: jeder Tische bekommt ein anderes Service. Das Kuchenangebot ist überschaubar, aber das ist nachvollziehbar, denn der Radweg am Kanal ist keine Hauptverkehrsstraße. Wer hier also Platz nimmt bekommt vielleicht nicht seinen Lieblingskuchen, findet dafür aber in einem schön gestalteten Garten ein wenig Erholung bei einer Tasse Tee oder Kaffee.

Und, gefällt uns Aurich? Aus der Sicht von zwei Wohnmobilreisenden kommt ein uneingeschränktes Ja. Wir schwimmen gern und so ist ein Stellplatz nahe an einem Freizeitbad schon ideal. Für ein Badeerlebnis mit mehr Natur ist Rimini gleich um die Ecke und bei schlechtem Wetter kann man sich ja in einer Ausstellung oder Museum über die vielen Eigenarten von Ostfriesland informieren.