Samstag 1. Oktober um 19 Uhr. Angekommen. Wir stehen dort wo wir nicht sein dürfen – auf einem KFZ-Parkplatz vor dem Wohnmobilstellplatz Petriförder, der ab morgen wegen eines Marktes zwei Tage lang für Wohnmobile gesperrt ist. Wir bleiben trotzdem, denn die Fahrt hier hin war aufregend genug und eigentlich ein Grund, Magdeburg gleich wieder zu verlassen.

Um halb zwölf kommen wir zuhause weg. Die Wetterpropheten sprechen von gewittrigen Schauern, Starkregen und Sturmböen, die aus den Niederlanden kommend über Deutschland hinweg ziehen sollen. Wir wollen dem Wetter nach Osten davonfahren. 30 Kilometer später erste Anzeichen eines Staus. Da kommt die Ausfahrt zu einem Rastplatz wie gerufen. Wir beschließen dort unsere Mittagessen einzunehmen. So früh haben wir noch nie die erste Rast gemacht.

Eine halbe Stunde später ist die Autobahn wieder frei. Der nächste Stau kommt in Peine und da ist es auch just Zeit fürs Kaffeetrinken. Wir fahren ab und finden einen Platz am Waldrand. Ein kleines Nickerchen bzw. eine gute Stunde später geht es weiter. Das Wetter hat uns im Schlaf eingeholt. Dunkle Wolken ziehen hinter uns auf. Regenschauer im Auto zu verbringen ist ja kein Problem, aber die Räder auf der Anhängerkupplung sind nur oben abgedeckt und vertragen eine längere Dusche von unten nicht so gut. Vor uns blauer Himmel und im Rückspiegel dunkelblaugraue Finsternis. Ob das gut geht?

Wir denken darüber nach, mit welcher Geschwindigkeit sich so ein Regengebiet fortbewegt, kommen aber zu keinem Ergebnis. Ich werde ruhiger, als sich im oberen Teil des Rückspiegels ein heller Bereich langsam nach unten ausdehnt. In der Tat schaffen wir es trocken bis Magdeburg, verlieren dort aber viel Zeit bei der Suche nach den anvisierten Stellplätzen. Marianne navigiert mit dem Handy, was sich aber aufgrund zahlreicher Baustellen und einer Kirmes als schwierig erweist. Während sie bei der Suche fast nur auf das Handy schaut („Wie, es hat geregnet?“), kann ich die Umgebung betrachten. Und die ist in der Tat spektakulär (leider keine Fotos): Dunkler Himmel gesprenkelt mit hellen Sonnenlöchern, kurze lokale Schauer und viele Regenbögen unterschiedlicher Formen im rötlichen Licht der untergehenden Sonne. Großartig. Und eine ziemlich angespannte Marianne neben mir.


Noch stehen nur ein paar Wohn-mobile versteckt hinter dem WC

Dass der Platz direkt an der Elbe (Petriförder) wegen dem Fisch- und Tuchmarkt zwei Tage lang nicht verfügbar ist, das hatte Marianne schon auf der Autobahn herausgefunden. Und an Stelle des alternativen Stellplatzes am Yachthafen – das denken wir zumindest – hat sich eine Kirmes breit gemacht. So landen wir nach einigem Hin- und Hergejuckel etwas genervt auf diesem KFZ-Parkplatz an einer gut befahrenen Straße vor der Einfahrt des Stellplatzes. Dort parken schon einige Leidensgenossen und am nächsten Morgen werden wir über die Hälfte des Platzes eingenommen haben. Sollen wir Magdeburg ausfallen lassen und sofort in Richtung Havelland weiterfahren?



Der Tatort am Morgen danach – das Gelände meiner Nachtwanderung

Die Nacht bleiben wir erst mal hier. Weil mir der genaue Standort des Stellplatzes am Yachthafen noch nicht klar ist, mache ich mich nach dem Abendessen um 9 Uhr auf die Suche danach. Beim Vorbeifahren mit dem Womo hatten wir die gesperrte Zufahrt zum Yachthafen am Kirmesgelände schon wahrgenommen. Als Fußgänger kann ich aber problemlos passieren und so gelange ich auf die Großbaustelle dahinter. Ich habe auf meinem Weg keine Absperrung durchbrochen und denke deshalb auch beim Balancieren auf den Kantensteinen unfertiger Gehwege noch nicht daran, dass ich verbotenerweise eine Baustelle durchquere. Aber das mit Röhren und Holzverschalungen marmorierte Gelände wird immer unwegsamer und schließlich stehe ich am Ende einer halbfertigen Großbrücke und blicke zwischen Baumaschinen stehend (durch ein Absperrgitter) tief hinunter ins Bett der alten Elbe.

Okay, hier geht es also nicht weiter. Aber ich kann die Wohnmobile des Stellplatzes von der Brücke aus sehen und finde schließlich den Weg dorthin – leider ist der Platz bis auf den letzten Meter belegt. Um die Zufahrt für unser Auto zu finden (man weiß ja nie) wähle ich einen anderen Rückweg, der sich als fast ebenso abenteuerlich herausstellt. Das musikalische Gedröhne der Kirmes im stockdunklen Gelände ist allerdings eine gute Orientierungshilfe und so bin ich um halb elf wieder am Auto – kurz bevor Marianne sich daran macht eine Vermisstenanzeige aufzugeben. Die weitere Übernachtungsplanung verschieben wir auf morgen.

7 Uhr am nächsten Morgen: Ich will die Umgegend erkunden. Vielleicht bekomme ich bei der Gelegenheit auch mein erstes Frühstück (Kaffee, Croissant). Keine 20 Minuten später stehe ich vor der Back-Factory am alten Markt und kann Punkt 2 abhaken. Bei meiner Nachtwanderung gestern habe ich in der Nähe des Yachthafens einen nicht weiter ausgezeichneten Parkplatz gesehen, auf dem drei Wohnmobile standen. Ist das eine Möglichkeit für uns? Hmm … sehr einsam etwas versteckt im Wald. Sicher nicht die erste Wahl für uns.



Der Parkplatz am Klosterbergegarten

Unser Parkplatz – ideal für Spaziergänge in die Stadt oder den Park

Also marschiere ich zum Hammersteinweg und begutachte den Parkplatz dort, den wir schon auf unserer Irrfahrt am Vortag entdeckt haben. Das gestern schon entdeckte Womo auf dem Busparkplatz steht immer noch dort und ein weiteres belegt im hinteren Teil vier KFZ-Parkplätze. Eigentlich kein schlechter Ort zumindest für den heutigen Tag. Marianne wird per SMS vorab informiert und 30 Minuten später sind wir umgezogen, ja haben sogar eine Möglichkeit gefunden mit unserem 6,40 Meter langen Gefährt nur einen der kleinen Stellplätze zu belegen. Direkt nebenan liegt der Klosterbergegarten , ein kleiner Park mit diversem Baumbestand, was gerade jetzt im Herbst besonders reizvoll ist.

Tja, ich habe nun bei meinem frühen Spaziergang schon ein wenig von Magdeburg gesehen und das hat mir sehr gefallen. Wir werden also ein paar Tage hier bleiben.

Friedensreich-Hundertwasser-Haus


Heute ein Fußgängerüberweg: Die ehemalige Eisenbahn-Hubbrücke

Unser erster Spaziergang führt zunächst an der Elbuferpromenade entlang vorbei an der alten Hubbrücke , deren heute arretiertes Mittelteil bis zu drei Meter angehoben werden konnte. Das Bauwerk ist eine der ältesten und größten Hubbrücken Deutschlands und steht unter Denkmalschutz.


Kaiser Otto I. und Gefolge halten Einzug

Weiter geht es beim Hungerfelsen  über die Fußgängerbrücke zur Bastion Cleve  und von dort zum Dom , um den herum gerade das Kaiser-Otto-Fest  (ein mittelalterliches Spektakulum) gefeiert wird. Passend für uns hält der Kaiser mit seinem Gefolge auch gerade Einzug. Der reale Otto I.  aus dem 10. Jahrhundert ist zwar nicht so bekannt wie Karl der Große, aber seine Geschichte ist genauso interessant und hat eine ebenso große Bedeutung für uns wie die von Karl. In der DVD-Reihe „Die Deutschen“ gibt es eine Folge von ihm. Einfach mal reinschauen .

Der Eintritt in den evangelischen Dom ist frei und so drehen wir eine Runde im riesigen Gebäude. Der Anblick des Jerusalem-Leuchters über dem Grab von Kaiser Otto I. bringt uns fast gleichzeitig auf den Gedanken, hier noch eine Führung wahrzunehmen. Aber nicht heute.



Vom Modell zur Realität: die grüne Zitadelle, das letzte große Projekt von Friedensreich Hundertwasser

Über den Domplatz geht es weiter zur grünen Zitadelle , dem letzten Projekt des Künstlers Friedensreich Hundertwasser  – überhaupt einer der Gründe für Marianne, die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt zu besuchen. Das Gebäude ist in der Tat sehenswert. Hundertwasser war – und das kann man auch an diesem Bau gut erkennen – zeitlebens ein Gegner der „geraden Linie“ und jeglicher Standardisierung. Gerade seine Arbeiten im Bereich der Baugestaltung zeichnen sich durch fantasievolle Lebendigkeit und Individualität, vor allem aber durch die Einbeziehung der Natur in die Architektur aus. Der Künstler forderte das „Fenster-Recht“ als Recht jedes Einzelnen, sich aus seinem Fenster zu beugen und – so weit seine Arme reichen – das Mauerwerk zu bemalen.


Der Innenhof mit dem Brunnen

Es werden Führungen durch das Gebäude angeboten. Wir verzichten darauf und halten uns stattdessen eine Weile in dem kleinen, bunt gestalteten Innenhof mit dem Brunnen auf. Dort ist auch ein Laden mit Artikeln, die das künstlerische Werk Hundertwassers widerspiegeln (man könnte es auch Merchandising-Shop nennen). Weil gerade Kaffeezeit ist, besuchen wir das ebenfalls dort befindliche Café „Alt Magdeburg“, dessen Inneneinrichtung erfrischenderweise keinerlei Bezug zu Hundertwasser nimmt. Dafür ist der Schankraum gekachelt mit Bildern zu Themen wie Geschichte und Kultur. Und im jetzt gerade leeren „Feier-Raum“ nebenan, auch Gemäldezimmer genannt, hängen Replikate alter Schinken unter anderem von Manet und Rembrandt. Ich liebe solch ein Ambiente. Und wenn du dann noch so sitzt, dass dir aus dem Nebenraum Manets Bardame aus Un Bar aux Folies-Bergère  lebensgroß in die Augen schaut, dann ist das schon ein angenehmes Erlebnis.


So mag ich sie am liebsten – okay, die Hälfte Kirschen tut‘s auch (Bildquelle: Pixabay)

Wer allerdings gerne Waffeln mit Kirschen und Sahne isst, und zwar so wie das in der Regel die Cafés in Nordrhein-Westfalen servieren, dann sollte man sich eine Bestellung hier gut überlegen, denn diese Speise wird im östlichen Teil Deutschlands nach einem anderen Rezept zubereitet (mehrmalige Erfahrung). Wir haben zusammen 21 Euro für Kaffe und Kuchen bezahlt. Eine Toilette gibt es nicht im Café – da muss frau das passend gestaltete, öffentliche WC im Innenhof der Zitadelle benutzen und dort einen weiteren Euro berappen, was aber wohl – nach ihrer einmaligen Erfahrung – noch zu knapp bemessen ist, um die Einrichtung angemessen zu unterhalten.

Ein problematischer Umzug

Es ist Dienstag, 8 Uhr, der Fisch- und Tuchmarkt ist vorbei und ich stehe am Ende meiner frühmorgentlichen Runde auf dem Wohnmobilstellplatz Petriförder direkt an der Elbe. Hier wollen wir gleich hin – aber erst nach dem Besuch des Hallenbads (eine Runde schwimmen und vor allem duschen). Der Platz ist allerdings nicht so groß wie wir dachten und es stehen auch schon einige Mobile hier. Also Plan ändern: Wir entsorgen hier, stellen uns sofort auf den Platz und fahren dann mit dem Fahrrad ins Bad. Gesagt, nicht getan.

20 Minuten später verlassen wir den Parkplatz, auf dem wir das lange Wochenende zugebracht haben, was man ja eigentlich nicht darf, aber wegen der Sperrung des großen Stellplatzes war das ja gewissermaßen ein Notfall. Die Nähe zum Klosterbergegarten und dem Rotehornpark direkt gegenüber auf der anderen Seite der Elbe (mit dem Biergarten beim Le Frog) haben uns sehr gefallen.


Diese Sani-Station ist einfach nur Schrott

An der Petriförder-Entsorgungsstation fangen die Probleme an. Die Jalousie zum Abflußrohr steht offen, also leere ich als erstes die WC-Kassette. Wasser zum Spülen kommt nicht. Okay, denke ich, Jalousie zwar kaputt, aber Wasser kommt eben erst nach Einwurf eines Euros auf der Rückseite. Der Kasten nimmt zwar das Geld, aber Wasser fließt trotzdem keins. Ich befülle die Kassette notdürftig im WC-Häuschen nebenan. Für Grauwasser gibt es keinen separaten Abfluss. Wir nehmen unseren 5-Liter-Eimer und entsorgen den halbvollen Tank im WC-Loch. Die Befestigung des Trinkwasserhahns an der Entsorgungsstation ist locker und der Regler läßt sich auch nicht drehen. Ich versuche erst gar nicht, dem Hahn mit einem Euro etwas Flüssigkeit zu entlocken. Die Anlage ist einfach nur Schrott.


Nun stehen wir doch direkt gegenüber der Kirmes

Wir gehen auf den Stellplatz und versuchen von den Frühaufstehern dort Informationen über mögliche Versorgungsalternativen zu bekommen. Fehlanzeige. Wir haben kaum noch Wasser und so brauchen wir uns auf dieses Gelände nicht zu stellen. Also doch zum Stellplatz am Winterhafen, auf den wir eigentlich nicht wollten wegen des zu erwartenden Lärms von der Kirmes und der Brückengroßbaustelle. Nun gut, wir haben keine Alternative und fahren los. Diesmal lassen wir uns nicht abschrecken von der Absperrung an der Kirmes und gelangen so doch relativ schnell zum Stellplatz. 14 freie Parzellen zeigt das Display am Eingang an – das sieht doch gut aus. Wir bekommen sogar einen Platz in der ersten Reihe mit Terrasse.

Eine Nachbarin fragt „Na, haben Sie auch hierhin gefunden?“ und wir tauschen unsere Erfahrungen über den Weg aus. Ein Mann kommt dazu und erkundigt sich, ob wir in der Nacht etwas Verdächtiges gehört hätten. Das Fahrrad seiner Frau hätte nämlich Beine bekommen. Weg. Ohne Akku und Computer. Sein normales Rad haben die Diebe verschmäht. Na toll, wo sind wir hier wieder gelandet?

Fortsetzung folgt ...