Komme gerade vom Schwimmen. Herrlich. Morgens um acht ist es noch still am Dreiländersee bei Gronau. Die aufgehende Sonne wirft ihren Glanz in das leicht wellige Wasser. Ein Seniorenpaar dreht mit mir ein paar Runden mitten im See. Dieser Ort ist genau das richtige für ein paar heiße Tage.
Donnerstag, 4. August
Um nicht so einen langen Rückweg nach Hause zu haben sind wir gestern von Harlingen aus erst mal an den Dreiländersee gefahren. Der Wetterbericht hat eine zweite Hitzewelle angekündigt und den Anfang davon haben wir schon auf dem Weg hierher mitbekommen. Für solche Tage ist ein stiller und klarer See einfach ideal und den haben wir hier auch gefunden. Das 5 Kilometer von Gronau entfernte Gewässer verbindet die Niederlande, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und es ist schon ein seltsames Gefühl, zum Brötchen holen mal eben durch die Niederlande zu fahren. Da ist es kein Wunder, dass die Radwege hier teilweise auf alten Schmugglerpfaden verlaufen.
Die Stadt
Dieser Morgen begann um halb sieben. Vor meinem Morgenbad bin ich auf der Suche nach meinem ersten (Solo-)Frühstück nach Gronau geradelt. Vom See gelangt man gut geführt über Radwege in die nächstgelegene Stadt. Gronau ist … nun … interessant. Hatte nicht viel erwartet. In der Fußgängerzone ist zurzeit fast überall Baustelle. Dennoch ist ein Spaziergang im Zentrum nicht ohne Reiz. Ich habe einiges an plastischem Kunst- und Schmuckwerk gesehen, das wohl noch von der Landesgartenschau 2003 stammt. Auch das im Rahmen der LGS angelegte Inselparkgelände direkt hinter der sehenswerten St. Antonius Pfarrkirche fängt zahlreiche Blicke ein. Und dann ist da noch das rock‘n‘popmuseum hier in der Heimatstadt von Udo Lindenberg … na ja … ich spiele noch mit dem Gedanken dort mal hineinzuschauen.
Der See
Der 28 Hektar (etwa 500 mal 500 Meter) große Dreiländersee ist kein touristischer Hotspot – eher ein ruhiger Waldsee mit zwei Unterhaltungs- bzw. Gastronomiebereichen direkt am See:
Zum einen ist das – nahe am Stellplatz gelegen – ein Restaurant mit Biergarten, der kleine Sandstrand samt Liegewiese und daneben der Bootsverleih sowie etwas versteckt direkt neben dem kleinen Campingplatz ein Minigolfplatz mit Bistro („Pommes- und Eis“).
Der 500 Meter weiter an derselben Seeseite liegende zweite Bereich hat einen größeren Strand, einen Imbiss mit einem vielseitigen Speisenangebot und viele Spielgeräte. Ein 3 Kilometer langer größtenteils beschatteter Wanderweg führt um den See.
Der Stellplatz
Der Stellplatz gehört zur Camping- & Freizeitanlage Dreiländersee . Dessen Betreiber bietet einen zweigeteilten Bereich namens Alleecamping (rechts parzelliert mit Reservierung, links für „Spontanreisende“) sowie einen weiteren Bereich namens Naturcamping (eine Wiese ohne Stromanschlüsse). Preis für jede angefangenen 24 Stunden: 12 Euro. Die Grauwasserentsorgung ist einfach innerhalb eines u-förmigen Fahrwegs anzufahren. Chemie-Toiletten können in einem Bodenabfluss unter einer Klappe geleert werden. Bei der Kassettenspülung trocken zu bleiben erfordert allerdings etwas Erfahrung. Auch die 10minüte Freischaltung des Trinkwasserhahns für 50 Cent ist nicht mehr zeitgemäß. Okay, ich habe mit unserem Kanister und einigen Radsprints dann doch 30 Liter tanken können. Das zu toppen dürfte allerdings für die meisten der Gäste auf dem Platz schon ein ambitioniertes Ziel sein.
Sanitäre Anlage? Na ja, an der Rezeption des Campingplatzes ist für 1,50 € eine Duschmarke erhältlich. Die zwei Toiletten dort sind allerdings für Stellplatzgäste nicht zugänglich. Auf das Toiletten-Häuschen am Strand wird nirgendwo hingewiesen und das Gebäude offenbart seine Funktion auch nur dem, der einmal darum herum geht. Aber Fragen kostet ja nichts – das freundliche Personal vom Campingplatz gibt bereitwillig Auskunft.
Ach ja – in der Sommersaison steht um 9 Uhr (manchmal auch früher) ein Verkaufswagen eines örtlichen Bäckers zwischen Stell- und Campingplatz. Will ja nicht jeder die 10 Kilometer für frische Brötchen radeln.
Samstag, Stadtbummel
Aufgewachsen ist er in Gronau. Deshalb ist hier auch der richtige Ort für eine Udo-Lindenberg-Statue.
Heute fahren wir in die City. Das auf der städtischen Website reizvoll anmutende Angebot „Musik auf dem Wochenmarkt“ ist vergleichbar mit dem was einzelne Straßenmusikanten anderer Städte bieten – also kleiner als erwartet. Nur wenige meist jugendliche Zuschauer umringen die Sängerin Janina Ribeiro, die gar nicht mal so schlecht singt – zumindest nach dem was ich beim schnellen Vorbeigehen höre. Ich denke Ribeiro kann auch größere Bühnen mit mehr Publikum unterhalten.
Zeit für eine kleine Mahlzeit. Die Mittagskarte eines Lokals lockt mit mehreren Speisen für 8 Euro, aber weder wir noch die Bedienung können die genaue Zusammensetzung der Gerichte ermitteln. Okay, wer wagt, … gewinnt eben nicht immer. Bemerkenswert war auch eher die Dame am Nebentisch, die ihrem Terrier, der einen Artgenossen aggressiv ankläffte, einfach die Augen zuhielt. Das erinnert mich an mein absolutes Highlight der Kommunikation zwischen Mensch und Tier: Frauchen wirft ihrem Hündchen ein Leckerli vor die Pfoten und fordert das Tier auf: „Aber schön kauen!“ Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch ein Kompliment an die Hundebesitzer loswerden, die wir bisher auf Stellplätzen angetroffen haben: Bis auf sehr wenige Ausnahmen haben die ihre Vierbeiner so gut erzogen, dass wir bisher kaum nerviges Hundegebell zu ertragen hatten.
Während wir da so sitzen und essen fällt unser Blick auf einen Springbrunnen mit einer Skulptur und wir fragen uns wieder mal: „Was will uns das Ganze sagen?“ Wie immer kann man ein Werk natürlich auch interpretieren ohne die Hilfe des Künstlers, aber wir sind in solchen Fällen auch an Impulsen vom Urheber interessiert. Manchmal bringt der einen ja auf Ideen, auf die man selbst nicht gekommen wäre. Und manchmal steht das dann ja auch auf einer Plakette am Werk. Hier aber finden wir nichts. Immerhin verrät uns Google, dass wir das „Rad der Kindheit“ betrachten. Sonst nix. Schade.
Das Rock’n’Pop Museum
Und was machen wir jetzt? Mein Plan steht fest: Als Fan der Musik aus den 50er, 60er und 70er Jahren (und Dauerhörer von WDR 4 und hier im Urlaub NDR 1) werde ich mir mal die Geschichte von Rock und Pop genehmigen. Die Werbung im Netz kündigt Gänsehaut-Momente an. Marianne ist beim Musikhören etwas zurückhaltender und verzichtet auf diese Erfahrung. Das Museum kostet 9,50 € Eintritt (minus 15% für ADAC-Mitglieder). Als Gebäude für das Museum dient die ehemalige Turbinenhalle des in den 80ern pleite gegangenen Textilunternehmens Mathieu van Delden. Man bekommt am Eingang ein Handy um den Hals gehängt und einen Kopfhörer samt GPS-Sensor. In Vorraum der Ausstellung sollte mich eigentlich Udo auf einer Multi-Bildschirm-Anzeige begrüßen um mich dann persönlich auf eine Zeitreise in die Musikgeschichte zu schicken. Bei mir kommt aber nix – holt sich wohl gerade ein Eierlikörchen.
Dann betrete ich ein hohe, fensterlose und schwarz ausgekleidete Halle, in der nur die vielen Bildschirme und die zurückhaltende Vitrinenbeleuchtung meinen Weg schwach belichten. Je nach Standort höre ich die zur jeweiligen Themeninsel oder Vitrine passenden Erklärungen und Musikstücke. Bleibt man länger in einem Bereich, hört man länger Musik. Die Dauerausstellung umfasst 9 Themenbereiche wie zum Beispiel „Beginning of“, „Rebellion“ oder „Performance“, die Pop in seinen Erscheinungsformen skizzieren. Der Präsentation besonderer Objekte wird viel Raum geschenkt. Im Fokus steht dabei nicht nur die deutsche und internationale Geschichte, auch die Entwicklungen der Popkultur in den benachbarten Niederlanden bilden einen Schwerpunkt.
Alle 30 Minuten gehen die meisten Bildschirme aus und es ist fast dunkel in der Halle. Dann werden für etwa 3 Minuten Ausschnitte aus große Shows (bei mir) von Udo Lindenberg (klar), Helene Fischer, Scorpions und Tina Turner auf Großbildschirmen gezeigt. Die dazugehörende Lautsprecheranlage hat ordentlich Wums und so bildet sich tatsächlich so etwas wie Gänsehaut. Das gleiche Kribbeln stellt sich mir allerdings auch beim Hören eines Interview-Ausschnitts der schwarzen Jazz-Pianistin Nina Simon oder der Lieder von Joan Baez im Bereich „Rebellion“ ein. Es ist einfach etwas total anderes, wenn man emotionsgeladene Texte hört statt sie nur in einem Geschichtsbuch zu lesen.
Was Nina Simon betrifft, wer das nachempfinden möchte, kann sich bei Youtube ein Video zum Interview (in englisch) von 1969 und dem darin thematisierten Song ansehen. Wenn man dabei im Hinterkopf hat, dass die 60er Jahre die Hochphase der Proteste gegen die gesetzlich festgeschriebene Rassentrennung in den USA war und was solche Songs in diesem Klima bedeuteten ...
John Lennon: „Life is what happens to you while you are busy making other plans.” (Bildquelle: Pixabay)
In der Eingangshalle hängt über der Theke groß ein Spruch von John Lennon: „Life is what happens to you while you are busy making other plans.“ In der Tat ist mir beim Begehen der Ausstellung aufgegangen, dass ich mit dem Beginn meiner Berufstätigkeit (und dem Auftauchen von MTV) den Kontakt zur Musikentwicklung verloren habe. Dabei hätte mich vieles von dem angesprochen, was ich jetzt hier im Museum erstmals sehe. Musik bekommt eben manchmal eine etwas andere Wirksamkeit, wenn man die Hintergründe ihrer Entstehung kennt.
Ich habe nun zwei Stunden nur in der Dauerausstellung zugebracht und bin begeistert. Daran können auch die wegen der Dunkelheit schlecht lesbaren Texte und die manchmal unscharfe Trennung oder gar Überschneidung der Audio-Einspeisung zwischen den Themenbereichen nichts ändern. Kenne ich jetzt die Geschichte von Pop und Rock? Nun, ich habe zumindest mehr Gefühl dafür. Am liebsten würde ich mich damit noch etwas intensiver beschäftigen. Gronau, ich komme wieder.
Die Westfälischen Nachrichten haben ein (etwas hektisches) Video bei Youtube eingestellt, das einen ganz guten Einblick von der Gestaltung des Museums gibt.
Sonntag, letzter Tag
Wir kommen beide gerade vom aus dem Wasser. Einfach herrlich. Am Strand ist noch nicht allzu viel los und und in der Mitte des Sees hört man kaum noch menschliche Geräusche. Einmal gleitet ein SUP vorbei und ich bewundere den elegant agierenden Paddler. Kommt sowas vielleicht auch für mich in Frage? Der See ist angenehm kühl und das Wasser bis auf eine leicht bräunliche Färbung glasklar. Rund um den See am Ufer überall Flora – da fallen die zwei relativ kleinen Strand- bzw. Gastronomiebereiche kaum auf. So schwimmt man tief entspannt mitten durch die Natur.
Dann machen wir uns auf den Rückweg nach Hause. Eine kurze Kaffeepause lang sitzen wir noch im Schulze Ladencafe in Borgholzhausen. Ich liebe die Lebkuchenherzen von Schulze seit meiner Kindheit und nehme bei der Gelegenheit etwas Lebkuchenbruch mit. Geht auch im Sommer.