Vor ein paar Wochen war ich mit Marianne hier in Hamburg, um die Caspar-David-Friedrich-Ausstellung zu sehen. Für eine gründliche Stadtbesichtigung blieb aber nur wenig Zeit und das will ich jetzt nachholen.

Stundenlange Autofahrten liegen mir nicht. Wir machen auf unseren Touren in der Regel alle zwei Stunden Pause und fahren wenn möglich nicht mehr als 200 km am Tag. Bei längeren Fahren übernachten wir zwischendurch. Diesmal lande ich in Undeloh mitten in der Lüneburger Heide, und den Text dazu  habe ich ausgelagert, damit dieser nicht noch länger wird.

Sonnenuntergang am Modellbootbecken im Stadtpark

Wo in Hamburg parken? Der Südring am Stadtpark sieht doch bei park4night  ziemlich gut aus. Hätte ich daran gedacht, dass man sich dorthin erst durch die halbe Innenstadt „quälen“ muss, wäre ich noch eine Weile in Undeloh geblieben. Statt grüner Welle nur Stop & Go durch den abendlichen Stadtverkehr – für spritverbrauchsbewusste Fahrer (mein Tacho zeigt gerade 6,2 Liter pro 100 Km) ein Gräuel. Angekommen hebt der eindrucksvolle Sonnenuntergang am Modellboot-Becken in Richtung Planetarium meine Stimmung aber wieder. Ein schöner erster Reisetag geht zu Ende.

Stadtpark

Der Südring am Hamburger Stadtpark ist schon eigenartig. Hier stellen wohl viele Hamburger aus der Umgebung ihre Wohnmobile, ja sogar Anhänger und Wohnwagen ab. Ich sehe Parkkrallen und Lenkradsperren, erfahre im Internet in welchen beiden Städten die meisten Wohnmobile geklaut werden (dreimal dürft ihr raten) und denke über mein eigenes Sicherheitskonzept nach. Meine Alarmanlage meldet mir zwar jeden Einbruch aufs Handy, aber mein Abschreckungspotential ist eher dürftig. War bisher auch noch kein Bedarf. Und wirklichen Schutz bieten die Metallteile ja auch nicht.

Schaden jedenfalls können die nicht. Und mal mit den ÖPNV zum Baumarkt fahren ist auch eine neue Erfahrung – genauso wie die, das selbst in Hamburg nicht unbedingt das im Laden steht, was im Online-Shop angeboten wird. Okay, ich hätte aufmerksamer lesen können. Anrufen wäre auch eine Möglichkeit gewesen. So habe ich einige Zeit auf Umsteigehaltestellen verbracht. Wenigstens hat es nicht geregnet. Wieder zurück am S-Bahnhof Borgweg fällt mir ein, dass ich bei einem großen Campingausrüster solche Teile mal gesehen habe. Wo ist denn hier die nächste Filiale? Arrg, in der Nähe des Baumarktes von dem ich gerade komme. Na ja, der Tag ist eh gelaufen.


Blicke über den See in Richtung Biergarten, Planetarium und Festwiese

Die dort schließlich gefundene Lenkradsperre scheint mir allerdings nicht so massiv zu sein und deshalb belasse ich es erst mal bei der Kralle. Zurück am Südring sehe ich, dass hier fast alle Wohnmobile mit Lenkradsperre genau dieses Modell installiert haben. Abends schaue ich mir noch bei Youtube ein Video an, in dem zwei durchgeknallte junge Männer Krallen unterschiedlichen Typs durch einfaches Losfahren zerstören. Toll. Okay, der verwendete Kleinwagen kommt dabei nicht unverletzt davon. In den Kommentaren bei park4night wird bemängelt, dass hier viele Jogger, Hundebesitzer und Parkbesucher herumlaufen. Das sehe ich jetzt eher als Vorteil, weil es so wohl kaum möglich ist, heimlich an meiner Kralle herumzufummeln.


In diesem Fall sind sie es wirklich: Adam und Eva im Stadtpark

Und sonst? Wie ist der Park denn so? Ich zitiere mal den Benutzer Jabece aus park4night vom 9.9.2023: „Difficult to find parking space, a lot of people, dogs, cars! Some sound from all of that and the Biergarten, parties and so on but still the perfect place! So nice with the fantastic park and such a nice vibe in this area. Love it!“

Beim Mittagessen gehört: “Schau mal Mama, da ist ja der Pinguinbrunnen!“

Das sehe ich genauso. Ich bin während meiner Zeit in München gerne im englischen Garten gewesen, aber dieser Park (siehe Wikipedia)  ist kein Vergleich. Große Wiesen zum Feiern, stille lauschige Plätze zum Entspannen und Skulpturen  zum Nachdenken oder einfach nur zum Schönfinden. Fehlen nur noch ein paar zünftige Biergärten.

“Frauenschicksal“, Elena Luksch-Makowsky (1912)

Das Werk Frauenschicksal  hat mich besonders berührt. Das Original hat Elena Luksch-Makowsky 1912 zur Eröffnung des Parks beigesteuert – damals von 80 Skulpturen die einzige von einer Frau. Der Vogel auf der Schulter ist übrigens ein Kuckuck, der als Symbol für Freiheit und Weisheit oder auch für Sehnsucht und Trauer gilt. Luksch-Makowsky zeigt uns ein starkes Spiel der Kontraste: Oben strebt die Frau nach Freiheit und Selbstverwirklichung, während die Familie unten sie am Boden hält. Ich bin begeistert und könnte einen ganzen Artikel über diesen Park schreiben. Steht aber alles schon bei Wikipedia  – nur etwas nüchterner.

Nicht innerhalb einer Parkmarkierung? Weg damit! Und das geht ruck zuck.

Vom „Stadtpark an einem sonnigen 1. Mai nach längerer Regenzeit“ (wie etwa 2024) steht da aber nichts. Das ist unglaublich! Stellt euch ein übervolles Freibad an einem heißen Sommertag vor. Und nun das Ganze auf (geschätzten) 30 Hektar (300.000 m²) Wiesen (der Park hat insgesamt 148 Hektar) – wie auf einem Musikfestival, nur ohne Musik (von einer Bühne) und Toiletten (bis auf das begrenzte Angebot der Gastronomie). Das Grillen auf den Wiesen ist erlaubt und es wird auch vielerorts gebruzzelt. Die separaten Container für Grillkohlenreste sind da nützlich – für alle die lesen können. Das ist aber nicht der Fall und so sehe ich einmal, wie aus einem der etwa mannshohen Müllcontainer hohe Flammen schlagen. Knapp 10 Minuten später kommt ein Feuerwehrwagen um die Ecke. Gehört habe ich die heute öfter. Ausnahmezustand. Aber Superstimmung. Und – so habe ich es wenigstens wahrgenommen – verhältnismäßig ruhig ohne viel Geschrei und Aggression. Und gelassen, oder gab es irgendwo größere Polizeiaufgebote? Ich habe bis auf eine Zwei-Mann-Streife keine Uniformen gesichtet, bin aber gerade unsicher, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.

Deutsche Schlager aus dem Bauch einer Kogge

Niedlich dagegen war der ältere Herr, der am Vorabend im Modellbootbecken sein Segelschiff schwimmen ließ, aus dessen Rumpf deutsche Schlager erklangen. Getanzt hat aber niemand. Vielleicht war ich auch gerade der Einzige in der Umgebung, der die Musik mochte.

Getanzt haben mögen aber vielleicht die Fahrzeughalter, die am Ende des Feiertags ihr Auto nicht mehr wiedergefunden haben, weil die emsigen Besatzungen der Abschleppwagen ganze Arbeit geleistet haben. Die Parkplatzsituation war natürlich eine Katastrophe und so habe ich auch zum ersten Mal gesehen, wie man mit einem Minikran eine Karosse sorgsam aus einer Reihe von Fahrzeugen heraushebt.

Wedel

Ab dem 2. Mai ist der Südring wegen einer Veranstaltung gesperrt. Würde gerne mitbekommen, wie (und ob überhaupt) die Stadt die Dauerparker über das mobile Parkverbot informiert. Fahre stattdessen auf den Stellplatz vor dem Erlebnisbad in Wedel . 18 € plus für eine von maximal drei Übernachtungen sowie 4 € für 5 kWh Strom. Wer mindestens 2 Tage bleibt, bekommt eine Freikarte für den Besuch des Erlebnisbades.

Um 10 Uhr öffnet das Bad und an der Rezeption geschieht auch die Anmeldung. Die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel und so möchte ich gleich danach meinen ersten Spaziergang in der Hamburger Altstadt unternehmen. Schnell noch auf der HVV-Seite  die Verbindung gecheckt: die S1 fährt alle 20 Minuten und braucht 40 Minuten für die Fahrt von Wedel bis zum Hauptbahnhof). Weil ich meine Solartasche aber noch eine Weile draußen lasse, komme ich erst mittags am HBF an. Deswegen werde ich später am Hafen wegen des Sonnenstands einige Motive nicht fotografieren können.

Innenstadtrunde

Okay, es geht los: Aus dem Bahnhof kommend könnte ich den Weg über die sehr breite Shoppingmeile Mönckebergstrasse einschlagen. Ich wähle aber die kurze, spitzwinklig auf die Mö zulaufende Spitalerstraße mit ihren kleinen Geschäften, weil dort Fußgängerzone und damit weniger Hektik ist. Auf dem Mittelstreifen der nur „verkehrsberuhigten“ Mö dagegen dürfen Taxis, Busse und natürlich Fahrräder fahren. Die Busfahrer dort halten auch schon mal, wenn man mitten auf dem Fahrstreifen verweilt, um ein Bild zu machen. Na ja, Kraftfahrzeuge hört man ja auch – rasende Radler ohne Klingel und Mundwerk sind da schon kritischer.

Auch Adam und Eva? Wie dem auch sei – auf jeden Fall müsste die Dame mal geputzt werden.

Ah ja, beinahe hätte ich es vergessen: Wer gerne mit seinem Frühstück (bei mir immer Croissant & Kaffee) durch den Bahnhof schlendert und dem Treiben zuschaut, sollte eine Kopfbedeckung tragen. Hamburg hat echt ein Taubenproblem. Mich hat es auf dieser Reise gleich beim ersten Mal erwischt: Am Augenlid gespürt, die Jacke gestreift und auf der Hose gelandet. Hätte schlimmer kommen können. Am Mönckebergbrunnen wasche ich mir erst mal den Fleck aus der Hose. Mit umgehängter Kamera am Wasser sind meine Bewegungen doch etwas ungelenk und als ich mich nach der Aktion ruckartig umdrehe, blicke ich direkt in die Augen dieser hanseatischen Schönheit mit dem leicht verzogenen Mund und ihrem … Seehund. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Okay, die Dame müsste man auch mal putzen. Auf einer Webseite zum Bildhauer  sieht sie schon attraktiver aus.

Sollen die beiden hier wirklich – wie im Internet zu lesen – Adam und Eva darstellen? Könnte sein, denn Nackte in der Kunst sollten bis vor etwa 150 Jahren einen mythologischen Hintergrund haben. Einer der ersten, der mit dieser Tradition brach, war übrigens Manet mit seinem Frühstück im Grünen  aus dem Jahr 1863. Das grüne Paar hier ist aber erst 100 Jahre jung. Vielleicht also doch nur zwei Namenlose. Der Brunnen mit dem Kulturcafé der Elbphilharmonie  im Hintergrund ist übrigens ein beliebter Ort für Selfies und/oder kurze Kaffeepausen. Es geht aber auch vornehmer:

Shopping ist ja nicht mein Ding, aber ich schaue mir gerne interessant gestaltet Häuser an. In der Mö ist das zunächst mal das Levante-Haus  mit der Nummer 7, dessen Name wohl vom ersten Mieter, der Linienreederei „Deutsche Levante Linie“ stammt, die mit den Ländern im östlichen Mittelmeer (der Levante ) handelte. Das 1943/1944 durch Bomben zerstörte Haus wurde 1948 bis 1950 zumindest äußerlich weitgehend originalgetreu wieder aufgebaut. Heute befindet sich im Erd- und ersten Obergeschoss eine Einkaufspassage mit einem überwiegend handwerklich-künstlerisch ausgerichteten Warensortiment aus dem oberen Preissegment.


Immer für eine Überraschung gut – das Haus Nummer 7 in der Mö

Man kann da also reingehen und das solltest du unbedingt mal tun. Schon der Eingangsbereich mit der von Barry Baldwin  geschaffenen Figurengruppe (Zentaur direkt am Eingang, Gepard, Elefant, Affe etwas weiter hinten) ist mal was Anderes. Wer wie ich nicht der vornehmen Gesellschaft entsprungen ist und entsprechend wenige Örtlichkeiten dieser Art erlebt hat, ist nach Öffnen der Eingangstür erst mal geflasht von der Ausstattung. In einer runden Öffnung zum 1. Obergeschoss befindet sich mit einem Fries vom Aussterben bedrohter Tierarten ein weiteres Werk von Baldwin. Und wenn du dann durch das Loch in der Decke nach oben schaust, blickst du auf das künstlich beleuchtete Bleiglasfenster mit Motiven der griechischen Mythologie von Ida Isensee .

Das hätte ich an so einem vornehmen Ort nicht erwartet

Edel, edel … und dann plötzlich im Obergeschoss neben der Werbung einer Modefirma ein großes Plakat mit der Überschrift www.sex-worker.de . Was für ein Kontrast! Weitere Plakate der Ausstellung „Sexworkers – ein ganz normales Leben“ zeigen Gesichter von Personen dieser Berufsgruppe und dazu ein einfühlsames Motto. Stark.

Scheint aber doch nicht so ungewöhnlich zu sein, denn laut Wikipedia finden hier im Levantehaus (zur hochmodernen Webseite des Eigentümers ) jedes Jahr 10 bis 20 Veranstaltungen aus den Bereichen Kultur (Malerei, Fotografie, Literatur) und Marketing statt. Und für eine Kuchenpause mit vornehmen Ambiente kannst du im Obergeschoss oder darunter im Café Roncalli Platz nehmen.

Die Binnenalster von der Kennedy- und der Lombard-brücke aus gesehen

Kurz vor dem Rathausmarkt biege ich rechts die Bergstraße in Richtung Kennedybrücke und Jungfernstieg ein, eine Straße, die so heißt, weil hier früher immer wieder sonntags Familien ihre unverheirateten Töchter (Jungfern) spazieren führten. Heute würde man das wohl mehr machen – bei dem Verkehr.

Vom Jungfernstieg aus fahren die Ausflugsboote ab. Und damit sind wir an der Binnenalster, die kein See ist, sondern Teil eines 56 km langen Flusses, der hier 1190 aufgestaut wurde, um als Mühlenteich zu dienen. Erst 1625 trennten die Hamburger Wallanlagen  den Teich in die kleine Binnen- und die sehr viel größere Außenalster.

Ohne Essen keine Aussicht

Ausblick von der Buchhandlung in der Europa-Passage

Von der Kennedybrücke aus hat man einen schönen Ausblick auf das Rathaus und die weißen Alsterarkaden, wenn nicht … ja, wenn da nicht eine Baustelle die Sicht verstellt. Eine Alternative wären die Lokale oben in der Europa-Passage an der Ecke Berg- und Ballinstraße, aber ohne was zu essen lässt man dich dort nicht ans Fenster. Der Lesebereich der Buchhandlung daneben ist direkt an der Scheibe, und da kann man auch mal einen Moment lang den Ausblick genießen, ohne gleich ein Buch kaufen zu müssen. Einmal um die Binnenalster herum gehen gehört eigentlich zum Pflichtprogramm jedes Touristen. Deswegen werde ich das heute bei sonnigem Wetter sicher nicht tun – zumindest nicht tagsüber.

Die Barlach-Stele auf dem Rathausmarkt: Denk-, Mahn- oder Ehrenmal?

Wie früher bei so mancher meiner Singles finde ich auch hier die B-Seite besser

Stattdessen gehe ich durch die Arkaden zum Rathausmarkt und da sehe ich sie auch schon, die 21 Meter hohe Barlach-Stele , das Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege. „Vierzig Tausend Söhne der Stadt ließen ihr Leben für euch“ steht auf dem beliebten Selfie-Hintergrund geschrieben. Mir wird immer ganz schwummrig, wenn ich solche Sprüche lese. Beide Kriege waren Angriffskriege und die armen Kerle haben sich bestimmt nicht „für uns“ geopfert. Ich werden später lesen, dass gerade der Zusatz dieser beiden Wörter vor der Enthüllung des Denkmals 1931 kontrovers diskutiert  wurde. Auf der Rückseite der Stele, kaum zu sehen, befindet sich eine Replik des Reliefs der „trauernden Mutter mit Kind“ von Ernst Barlach. Die Nazis haben das Original zerstört und durch einen aufsteigenden Adler bzw. Phönix ersetzt.

Das Rathaus – ein prachtvolles Exemplar norddeutscher Renaissance (Phönix Suchbild)

"Es dient nicht als Sitz einer Kommunalbehörde, sondern der Regierung eines selbstständigen Staates, und die Bürger Hamburgs sind deshalb berechtigt, an seine Ausstattung höhere Anforderungen zu stellen, als bei den Rathäusern deutscher Residenzen, Berlin nicht ausgeschlossen, statthaft wären.", sagte der Direktor der Kunsthalle, Alfred Lichtwark, zwei Jahre nach Fertigstellung des Rathauses . Das war 1889.

Diese selbstbewusst zur Schau getragene Ausstattung würde ich mir gern mal in Ruhe anschauen, vielleicht auch mit einer Führung. Man könnte sich ja einstimmen mit dem virtuellen 3D-Rundgang von Torsten Hemke . Heute betrachte ich beim langsamen Vorübergehen nur die Figuren an der Fassade. Ach ja, der Phönix – hier steigt er jetzt doch noch aus der Asche.

Die Göttin der Gesundheit mit Schale und Schlange

Tipp: Du kannst auch mal einen Blick um die Ecke in den Innenhof werfen. Dort unterdrückt Hygieia , die personifizierte Gesundheit, gerade einen Drachen, der für die Cholera-Epidemie von 1892 steht. Die Göttin wird oft mit einer Schlange dargestellt, die aus einer Schale trinkt oder sich um ihren Stab wickelt. Das Reptil verkörpert Erneuerung und Heilung, und das Wasser in der „Schale der Hygieia“ symbolisiert Medizin. Unser Wort „Hygiene“ kommt übrigens aus derselben Ecke.

Nur der Turm der ehemaligen Kirche St. Nikolai hat den Krieg überstanden

Nun gehe ich seitlich am Rathaus entlang, biege kurze Zeit später links ein in die Börsenbrücke und dann rechts in die Trostbrücke (das sind beides Straßen) und stehe am Haus der patriotischen Gesellschaft von 1765  (auch interessanter als der Name vermuten lässt). Von dort aus kann man ihn schon sehen, den Turm der ehemaligen Kirche St. Nikolai , der mit seinen 147 Metern als damals höchstes Gebäude Hamburgs den Alliierten 1943 bei der (Operation Gomorrha  zur Orientierung diente und dennoch den Krieg überstand – im Gegensatz zum Rest des Bauwerks.

St. Nikolai: Hamburgs zentrale Gedenk-stätte für die Opfer des NS-Regimes

Dieser Ort ist heute Hamburgs zentrale Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes. Das Museum in einem Teil der Kellerräume zeigt auf 350 Quadratmetern die wechselvolle Geschichte des Gotteshauses: von den Anfängen als Seefahrerkapelle über den Bau der Kirche bis zur heutigen Bedeutung der Ruine (digitaler Rundgang . Für mich ist schon der offene Raum vorm Turmeingang beeindruckend. Und den Engel  finde ich einfach klasse, wenn ich auch mit der Symbolik wenig anfangen kann. Und dann steht man da in den Resten einer ausgebombten Halle und plötzlich fangen die Glocken an ein Lied zu spielen, das zu diesem traurigen Ort passt.

Der Domplatz: Hier stand einst die Keimzelle dieser Stadt – die Hammaburg

Langsam bekomme ich Hunger, aber ein Punkt steht noch auf dem Programm: Um zu den ehemaligen Kontorhäusern  Chile-Haus und Sprinkenhof zu gelangen, komme ich erst am Domplatz  und dann am Afrika-Haus vorbei. Am Domplatz lag einst die Keimzelle dieser Stadt, die Hammaburg, und später dann der Mariendom , der, von den Bürgern als nicht mehr nützlich erachtet, sich um 1800 quasi zum Steinbruch wandelte. Weiße, abends beleuchtete Sitzgelegenheiten aus Acryl markieren die ehemaligen Standorte der Dom-Säulen, schwarze, teilweise begehbare Stahlskulpturen die der Burgwälle. Gute Idee. Sollte man so lassen. 

Ein Krieger vor dem Afrikahaus

Bemerkenswert am Afrika-Haus  ist der Wahehe-Krieger  am Eingang. Klar, so ein Krieger passt zu unserem Afrikabild – von vor hundert Jahren. Könnte man dem Wahehe nicht einfach einen Kofi Annan zur Seite stellen? Nein, wahrscheinlich nicht, denn das Gebäude steht unter Denkmalschutz, weil es den Bautyp des Hamburger Kontorhauses um 1900 dokumentiert.

Backsteinexpressionismus im Sprinkenhof – ungewöhnliche Form und Dekors

Apropos Kontorhaus. Ich komme jetzt ins gleichnamige Viertel , das 2015 zusammen mit der Speicherstadt ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Das Chilehaus  (weniger detaillierte Infos beim NDR ) sehe ich zuerst, eines der ersten Hochhäuser Hamburgs und beispielgebend für den Backsteinexpressionismus der 1920er Jahre. Beeindruckend.

Chilehaus: Für ein Gebäude am Hafen ist das doch eine passende Form

Der Sprinkenhof  daneben sieht auf den ersten Blick eher unscheinbar aus. Da muss man aber mal herum und dann rein in den Innenhof gehen. Ungewöhnliche Formen und Schmuckelemente (mehr Bilder ) machen den Charme des Hofes aus – im Gegensatz zum eher unauffälligen Dekor des Chilehauses, zu dem du wieder hinkommst, wenn du um den Sprinkenhof herum bist. Und dann stehst du auch gleich an der richtigen Stelle für ein Erinnerungsbild – nämlich am Bug des Backsteingebäudes. Erinnert mich an das Kinoplakat von Camerons Titanic (das mit dem genialen Spruch).

Apropos Bug. Wir sind fast am Hafen. Ich muss jetzt was essen und mach erst mal Pause. Ist auch besser so.