Wir haben einen Platz auf dem Stellplatz am Hafen bekommen und wollen nur einen Spaziergang die Mole entlang zur Hafeneinfahrt machen. Plötzlich stehen wir vor diesem Monstrum von U-Boot. Okay, wir kennen ja auch nur das winzige Gegenstück in der Kieler Bucht bei Laboe. Dieses hier kann man ebenfalls besichtigen und damit steht für mich fest: Ich besuche die „Cite de la Mer“.

Dabei verlief unsere Ankunft in Cherbourg alles andere als glatt. Der Stellplatz  war voll. Also haben wir uns erst mal auf den Parkplatz des Meeresmuseums gestellt. Ich hätte auch kein Problem gehabt, dort die Nacht zu bleiben. Marianne war eher abgeneigt – nicht zuletzt auch wegen der am Kai liegenden Fähre, die für eine dumpfe Geräuschkulisse sorgte und da ist mein Schatz ziemlich sensibel. Mein Wunsch, dass Museum nicht mehr heute, sondern erst morgen zu besuchen, wurde mit einiger Erregung erwidert, die sich aber mit der Zeit legte. „Aber nur eine Nacht!“ Problem Nummer 1 war gelöst.

Wie wir da so standen und uns auseinandersetzten, liefen unsere ehemaligen Nachbarn aus Barfleur an uns vorbei, und wir fragten uns, ob die wohl auf dem Stellplatz stehen und jetzt wieder abfahren. Marianne lief hinterher und ich – immer optimistisch – folgte gleich mit dem Wagen. Und richtig, kurze Zeit später hatten wir auch Problem Nummer 2 gelöst.

Cite de la Mer

Art Deco in der Architektur

Niagara Mohawk Building von 1932, Syracuse (New York), Bildquelle: Peter Dutton

Die Art-Deco-Architektur war eine der wichtigsten Erscheinungsformen des Art-Deco-Stils, der in den 1920er und 1930er Jahren populär war. Diese Art der Architektur war besonders in urbanen Zentren wie New York, Paris und Miami beliebt und wurde oft in großen öffentlichen Gebäuden wie Hotels, Kinos, Theatern und Regierungsgebäuden eingesetzt.

Typisch waren klare Linien, geometrische Formen und symmetrische Muster, die mit dekorativen Motiven und Materialien wie poliertem Stein, Bronze, Stahl, Glas und Terrakotta kombiniert wurden. Viele Art-Deco-Gebäude waren mit Skulpturen, Wandreliefs und Mosaiken verziert.

Wie meistens sagt ein Bild mehr als 1000 Worte. Auf diesen Seiten findest du (Bild)Beispiele für Art-Deco-Architektur:

 

Eingang zur Cite de la Mer

Die Cite de la Mer  (Wikipedia ) ist ein Museum, eine Ausstellung, ein Themenpark – ich weiß gar nicht, als was man diesen „Kulturstandort“ bezeichnen soll, der sich im ehemaligen Gare Maritim  befindet, das selbst auch schon mal ein eindrucksvolles Gebäude ist. Die Cite de la Mer entstand 2002 aus der kuriosen Kombination eines transatlantischen Art-Déco-Hafenbahnhofs mit dem ersten französischen Atom-U-Boot Le Redoutable . Mittlerweile gilt dieses Unternehmen als eines der größten Ausstellungen, die dem Meer gewidmet sind. Thema ist das „Abenteuer Mensch und Meer“, aufgeteilt in vier Ausstellungsbereiche:

 

Le Redoutable: das erste französische (ehemals) mit Atomraketen bestückte U-Boot, das gleichzeitig das größte U-Boot der Welt ist, welches man besichtigen kann. Es wurde hier in Cherbourg gebaut, 1967 vom Stapel gelassen, mehrmals umgerüstet und war bis 1991 im Dienst.

 

Ozean der Zukunft: ein Ausstellungsrundgang, der das Bewusstsein für das letzte wilde Gebiet der Erde schärfen soll: den Ozean. Dank des tiefsten Aquariums in Europa (10,70 m tief), der 16 anderen Themenbecken und den interaktiven Ausstellungen gewinnen große und kleine Leute einen Eindruck vom Reichtum und der Schönheit des Meeresbodens, wie auch von aktuellen wissenschaftlichen Entdeckungen.

 

Titanic, zurück in Cherbourg: ein Rundgang durch die transatlantische Vergangenheit dieses Hafens im Cotentin, der vom Zwischenstopp des legendären Passagierschiffs an der (damals) größten künstlichen Reede der Welt erzählt, aber auch von den Auswanderern, die Frankreich über diesen Hafen in Richtung neue Welt verlassen haben. Im Rahmen dieser Dauerausstellung überlassen amerikanische Institutionen dem Museum alle zwei Jahre eine neue Sammlung von Artefakten, die aus dem Trümmerfeld um das Wrack herum geborgen wurden.

 

Galerie der Maschinen und Menschen: eine Zusammenstellung symbolträchtiger Tauchmaschinen (echte oder Modelle im Maßstab 1:1) wie Alvin , Mir , Nautile  und Bathysphäre . Viel Raum nehmen auch die Menschen ein, die diese Geräte entwickelt oder getestet haben.

Nicht direkt zu diesem Thema passt die ebenfalls im Empfangsraum ausgestellte Kanone der Alabama , die hier 1864 bei einem Seegefecht vor der Küste sank. Damit soll Cherbourg der einzige außeramerikanische Erinnerungsort zum Sezessionskrieg der USA sein.

Das U-Boot

Die Le Redoutable war gerade fünf Jahre auf den Weltmeeren unterwegs, als ich meinen Wehrpflichtdienst auf dem Schnellboot Ozelot der Bundesmarine in Kiel angetreten habe. Meine Aufgabe damals war das Aufzeichnen der Schiffsbewegungen um das Boot herum. Dies geschah auf einem Leuchttisch im sogenannten „Hirn“ des Bootes, der Operationszentrale. Ich bin gespannt, ob ich die OPZ der Redoutable sehen werde, denn daraus wurde früher bei Besichtigungen von Kriegsschiffen immer ein großes Geheimnis gemacht.


Arbeits- und Entspannungsräume der Besatzung

Ich bekommen ein Gerät von der Größe eines (20 Jahre alten) Handys mit Zifferntastatur und werde gebeten, am Eingang des Bootes die Taste 1 zu drücken. Mit dem Gerät am Ohr steige ich in die Röhre. Sofort stellt sich der freundliche „Kapitän des Bootes“ vor und erklärt mir, dass er mich jetzt durch sein Schiff führen wird und dabei etwas von der Technik und über den Alltag an Bord erzählt. Und obwohl Fotografieren und gleichzeitig ein Abspielgerät ans Ohr halten etwas Geschick erfordert, habe ich schnell das Gefühl, dass der „Kapitän“ nur für mich da ist. Und, großes Lob: das Audio ist in insgesamt sieben Abschnitte eingeteilt, die erst nach Drücken der jeweiligen Ziffer beginnen. So kann man einfach mal in einer Ecke stehenbleiben, wenn es sich gerade drängt oder Zeit bzw. Freiraum zum Fotografieren fehlt. Auch ein Stück zurück zu gehen ist möglich, was in den engen Gängen bei viel Gegenverkehr allerdings nicht ganz so einfach ist.

Apropos Ecke: Ich kenne solche Schiffe ja nur aus dem Kino und da wirken die Arbeitsumgebungen der U-Boot-Fahrer immer recht aufgeräumt. Jetzt in echt staune ich darüber, wie chaotisch es fast überall vor lauter Röhren, Kabeln, Instrumenten und Maschinen aussieht. Welch ein Kontrast auch zu den Aufenthaltsräumen der Mannschaften, Offiziere und dem „Zimmer“ des Kapitäns.


Ein Leuchttisch wie auf dem Schnellboot

Ja, und die Tour führt auch durch die Operationszentrale, die wie bei einer Alarmsituation rot beleuchtet ist. Während die Knöpfe und Regler durch Plexiglas geschützt sind, gibt es an den komfortablen Sitzen zur Bedienung der Höhen- und Tiefenruder keine Verbotstafeln, was einige der jüngeren Besucher schon mal dazu veranlasst eben abzutauchen.

Beim Gang durch den Bereich mit den 16 Raketensilos soll ich mir Zeit lassen, denn mein Kapitän hat mir einiges zu erzählen. Und so erfahre ich unter anderem, das zwei von den ehemals hier befindlichen Raketen die gleiche Sprengkraft haben wie alle Bomben des ersten und zweiten Weltkriegs zusammen. Aber, so versucht er sensible Gemüter zu besänftigen, diese Waffen sind ja nicht gebaut worden, um sie zu verwenden, sondern um einem Gegner klar zu machen, dass er verwundbar ist.

Ozean der Zukunft

Nach etwa 35 Minuten ist mein Rundgang zu Ende. Ich verlasse die stählerne Röhre und bin begeistert – nicht nur, weil mir hier ein Stück Technik erklärt wurde, sondern auch, weil ich tatsächlich das Gefühl hatte, in den Alltag der Seeleute an Bord einzutauchen. Gut gemacht.

Zeige auf mich und ich sage dir was ich bin


Ein sehr unterhaltsames Programm

„Wo bist du?“ tippe ich dann in mein Handy und bekomme umgehend die Antwort von meinem Schatz: „Ozean der Zukunft. Bei den Fischen.“ Sehr präzise, in Anbetracht der Tatsache, dass hier über 1000 davon herumschwimmen sollen. Wir finden uns aber, weil sie mich sieht, während ich orientierungslos durch die Räume mit den Aquarien laufe. Tatsächlich schauen wir uns hier nur die Meeresbewohner an, ohne die Texte (französisch und englisch) zu beachten. Und es wird viel erklärt – in einem Raum kann man sogar mit dem Finger eine Art Mauszeiger auf einer riesigen Leinwand bewegen, um so die sich bewegenden Lebewesen „anzuklicken“, zu denen dann Infos aufpoppen.

Imbiss

Ort der (eher negativen) Erinnerung

Jetzt wäre mal Zeit für eine Pause, einen Happen zu Essen oder ein kleines Nickerchen. Die Cite de la Mer hat ein größeres Restaurant (alle Tische belegt) und einen kleineren Imbiss, wo noch Platz ist. Aber auch hier muss ich mich ans Ende einer längeren Schlange anstellen, die sich nur langsam bewegt. Und die drei jungen Damen hinter der Theke machten einen gestressten Eindruck. Situationen dieser Art sollte ich in meine geistige Warn-App eintragen, denn die schließlich bestellten Croque Monsieur  (6 Euro) waren außen warm und innen noch gefroren. Aber der Kaffee war in Ordnung.

Titanic, zurück in Cherbourg

Migrantenströme in Cherbourg

Zwischen 1900 und 1914 kam es in Europa zu einer zweiten Auswanderungswelle vor allem aus Osteuropa. Die Leute kamen nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch wegen politischer oder religiöser Verfolgung. 1913 reisten fast 70.000 Passagiere von Cherbourg aus über den Atlantik. Dieser Exodus wurde zunächst durch den ersten Weltkrieg unterbrochen, setzte sich aber ab 1919 auf hohem Niveau fort. Erst 1921 mit der Einführung von Quoten regulierten die USA den Strom herunter. Die Gesetze sollten die Einwanderung aus Süd- und Osteuropa zugunsten der Einwanderung aus Nord- und Westeuropa eindämmen und ganz allgemein den „weißen“ Charakter der Bevölkerung sichern. Erst der schwarze Freitag  im Jahr 1929 brachte diese Auswanderungswelle endgültig zum Versiegen.

Queen Mary 2 (345 m) und Titanic (269 m) – zum Vergleich: Aida 250 und 340 m

Eigentlich ist die Luft raus, aber wir schlendern trotzdem noch halbwegs aufmerksam durch die Titanic-Ausstellung, die mit dem Thema Emigration im großen Gepäckraum des ehemaligen Bahnhofs beginnt, der aber selbst kaum etwas mit Auswanderung zu tun hat, weil er erst 1933 fertiggestellt wurde, als der Strom der Reisenden bereits versiegt war. Heute wird die Halle genutzt, um die Geschichte der Auswanderung anhand von Bildern, Diagrammen und Texten zu erklären, die auf die Wände projiziert werden. An mehreren Terminals kann man versuchen, durch Eingabe des Namens und des Ausreiseziels mögliche Verwandte unter den Emigranten zu finden.

Alptraum Überfahrt

Wenn man in die groß abgebildeten Gesichter der Menschen schaut, bekommt man eine Ahnung davon, was in denen vorgegangen sein mag. „Diese Schar armer, vom Leben besiegter, erschöpfter und niedergeschlagener Menschen bricht in ein unbekanntes Land auf, wo sie hoffen, nicht zu verhungern – vielleicht.“ schreibt Guy de Maupassant  (1850-1893) in seinem Roman Pierre et Jean , wo es um eine Schiffsladung Auswanderer geht, die in den 1870er Jahren Frankreich verlassen. Für die Reedereien waren diese Menschen nur bequeme Fracht, wie ein Zitat auf einer anderen Tafel belegt: “Emigrants are excellent cargo for a ship, boarding by themselves, disembarking by themselves and paying a high price.” Und weiter heißt es da:

Obwohl sie ein Symbol für Luxus waren, hätten die großen Transatlantikdampfer ohne den ständigen Zustrom europäischer Auswanderer, die in jene legendären gelobten Länder, die Staaten von Amerika, strömten, keinen Gewinn abgeworfen. Die Reedereien konkurrierten erbittert um diese Passagiere, die ihr Geschäft so lukrativ machten. Sie schickten Handelsvertreter durch die Gegend und versprachen potenziellen Auswanderern das Blaue vom Himmel – aber ohne Garantien dafür, was sie finden würden.

 

Die Halle ist tatsächlich eine gute Einstimmung zum eigentlichen Thema, denn spätestens wenn man dann eine Etage tiefer in der Titanic-Ausstellung vor einem der Absperrgitter steht, welche die Passagiere der 3. Klasse im untersten Deck von denen der 1. Klasse darüber trennten, und die nach der Kollision teilweise verschlossen gewesen sein sollen (siehe Streitfragen ), dann wird dadurch das gefühlte Drama noch verstärkt.

In diesem Sinne sehen wir dann noch viele Gesichter von Besatzungsmitgliedern und Reisenden, erfahren etwas über deren klassengemäße Unterbringung sowie damalige Luxusartikel und lesen bzw. hören Erfahrungsberichte. Auf einer Leinwand läuft der Film Die letzte Nacht der Titanic . Und dann sind da natürlich noch die Fundsachen vom Grund des Ozeans („kein diamant“). Das Ganze ist so modern multimedial gestaltet, wie wir es auch schon bei den Aquarien kennengelernt haben – für Titanic-Interessierte sicher ein großes Erlebnis.

Maschinenhalle

Damit tauchte James Cameron in den Abgrund

In der Eingangshalle der Cite de la Mer (noch nicht kostenpflichtig) stehen echte und nachgebaute Tauchgeräte, deren Einsatz und Entwicklung schon über zweisprachige Texte und französische Filme im Ozean der Zukunft demonstriert wurden.

Von James Cameron ist mir schon bekannt, dass er ein engagierter Taucher ist, aber neu für mich ist, dass der Regisseur der von mir geschätzten Filme Titanic  und Abyss  mit einem selbst entwickelten Gerät bis zum tiefsten Punkt der Erde hinab getaucht ist, wie er hier in diesem Text  spannend erzählt. Eine 1:1-Replikat seiner so ganz anderen Tauchmaschine (die grüne Gurke) kann man hier auch bestaunen.

Insgesamt können wir sagen, dass die Cite de la Mer sogar für nicht französisch bzw. englisch sprechende Landsleute ein absolutes Highlight ist. Wie so häufig verlassen wir auch diese Stätte mit dem Gefühl, dass man eigentlich noch einmal wiederkommen müsste, um sich mit dem ein oder anderen Wissensgebiet intensiver zu befassen. Dann allerdings wären bessere Kenntnisse der Landessprache schon nützlich.

Cherbourg Impressionen

Heute soll sich die Sonne den ganzen Tag nicht blicken lassen, und da mit dem Kap Jouvence unser nächstes Ziel wieder eines mit Aussicht ist, haben wir gestern entschieden, noch eine Nacht hier zu bleiben. Ich bin um halb sechs aufgewacht und gönne mir mal wieder eine ausgiebige Morgenrunde. Das Café im Bahnhof hat ab sechs Uhr auf und so bekomme ich auch schnell mein erstes Frühstück. Danach laufe ich kreuz und quer durch die Altstadt und halte einige Eindrücke fest:


Schönes, hässliches, kurioses und jede Menge schmaler Gassen


Ste-Trinité: Mal was anderes – eine vom Tageslicht erleuchtete Skulptur von der Taufe Christi


10 Minuten vom Stellplatz: Einkaufscenter und Fischerboote im Hafen


Fakt oder supergute PR: Die Geschichte zur Regenschirmmanufaktur in Cherbourg


Karussell mit Crepes-Stand, „Fontaine Mouchel“ mit den vier Jahreszeiten und italienisches Theater auf dem „Place du Général de Gaulle“ im Morgengrauen


Cherbourg war für mich auf jeden Fall eine Reise wert und ich denke, ich werde die Hafenstadt noch nicht von meiner To-See-List streichen. Wir fahren weiter nach Jobourg, um uns an der dortigen Felsenküste mal ordentlich den Wind um die Nase wehen zu lassen.