Barfleur gehört offiziell zu den schönsten Dörfern Frankreichs. Davon gibt es nur 176 Stück (Stand Oktober 2023). Aber wie das so ist mit der Schönheit – der eine mag es lieber bunt und die andere eher grau. Barfleur ist letzteres: grau und rauh, massiv und so windig, dass die Wellen gegen die als Wellenbrecher platzierten Felsen der Strandmauer krachen.

Das Meer hinter der Mauer

Wir stehen auf einem Wohnmobil-Parkplatz ohne jeglichen Service direkt am Meer – und könnten das auch sehen, wenn da nicht eine Mauer wäre, die gleichzeitig der Fußweg zum Hafen der Stadt sein kann, wenn man sich traut, auf dem am Ende relativ schmalen Wall entlang zu gehen, der zur Wasserseite ziemlich hoch ist. Bei heftigem Wind ist das schon ein klein wenig aufregend.

Nichts geht mehr – Flut und Ebbe im Hafen

Die Einstufung zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs verdankt Barfleur  den zahlreichen Bauwerken aus grau-grünem Granit, die sich entlang der Straßen und Gassen befinden. Die meisten Häuser sind mit Schieferplatten gedeckt und wurden zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert errichtet. Eine kleine Bucht umschließt einen geschützten Naturhafen mit Fischer- und Sportbooten. Hier ist auch besonders deutlich der Unterschied zwischen Ebbe und Flut erkennbar.


Häuser aus graugrünem Granit säumen Hauptstraße, Gassen und Hafen

In der mittelalterlichen Blütezeit lebten rund 9.000 Menschen hier und im Hafen lagen Handelsschiffe und Fischereiflotten vor Anker. Bereits die Römer schätzten die Lage der geschützten Bucht als Ausgangspunkt für Seereisen nach Britannien. Wilhelm der Eroberer soll 1066 von Barfleur aus zu seinem Feldzug gegen England aufgebrochen sein. Dieser Hafen zählte bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts zu den meistbenutzten für Englandfahrten – eine Bedeutung, die er nach der Zerstörung durch Edward III. im Jahr 1348 nicht wieder erlangte. Das war übrigens derselbe Edward, der zwei Jahre zuvor die Bürger von Calais  zum Tode verurteilte.

Der alte und der neue Leuchtturm

Auf der Spitze einer Landzunge erhebt sich der Phare de Gatteville , der 1835 in Dienst gestellte, „neue“ Leuchtturm von Barfleur. Der Vorschlag, hier einen ersten Leuchtturm zu errichten, stammt vom Festungsbaumeister Vauban (1633-1707) : „Dieses Kap und das von La Hague sind der Schrecken der Seefahrer, weil dort jedes Jahr nachts aus Mangel an Lichtern viele Schiffe verloren gehen.“ Eines davon war das weiße Schiff  des englischen Thronfolgers, was als folgenreichstes Schiffsunglück der Geschichte gilt. Das war allerdings schon 500 Jahre vor Vauban.

Blick zurück auf dem Weg zu den Türmen

Unsere erste Wanderung führt denn auch zu den 3½ Kilometer entfernten Türmen. Dort können wir die Gefährlichkeit dieser Ecke für die Schifffahrt sogar nachvollziehen, denn bei Ebbe kommen rund um den Turm (wie auch im Hafen) einige Felsen zum Vorschein, die sonst nicht zu sehen ist. Bei schönem Wetter in diesem Brockenfeld zwischen Meeresrauschen und den beiden Türmen zu balancieren hat schon seinen Reiz.

Auf dem Weg zur anderen Seite der Hafeneinfahrt

Unser zweiter Spaziergang führt um das Hafenbecken herum ans andere Ende der Hafeneinfahrt. Hier weht der Wind so heftig, dass Marianne mich beim Fotografieren festhält, damit mir die Böen nicht das Bild verreißen. Der Weg lohnt sich, denn mit den einfahrenden Booten im Vordergrund und Hafenkai und Kirche als Kulisse dahinter hat man eine schöne Perspektive auf Barfleur.


Kirche des St-Nikolas, dem Schutzpatron der Seefahrer

Apropos Kirche: Auch das Innere der Kirche ist einen kurzen Besuch wert. Bei meinem war es ziemlich dunkel darin und eigentlich hätte ich mein Stativ mitbringen sollen. Bemerkenswert waren für mich der Passionsweg in Form von lebensnah wirkenden Schnitzereien, ein lediglich mit einem Bogen gestalteter Lettner , das Modell eines Walfangschiffes an der Decke dahinter und die farbenprächtigen Bilder der Glasfenster. Karl-Heinz hat in seinem Blog  noch ein paar schöne Bilder von der Kirche (u.a. vom barocken Altar).

Unser nächstes Ziel ist Cherbourg, die größte Stadt des Contentin, über die mir eigentlich nur eines bekannt ist: Es ist der letzte Hafen, den die Titanic gesehen hat. Und das weiß ich auch nur, weil ich so oft James Camerons Titanic gesehen habe. Das ich den Regisseur in Cherbourg von einer ganz anderen Seite kennenlernen werde, dass hat mich dann doch etwas überrascht.