In Bayeux war die Erinnerungskultur zum 2. Weltkrieg ja schon auffällig. Hier am Omaha-Strand, einem der Landungspunkte bei der Operation Neptun, kann man ihr (natürlich) nicht entgehen. Hier stehen vielerorts Panzer und Jeeps herum und Kinder salutieren für das Familienfoto vor dem Omaha-Beach-Denkmal.

Unsere Stellplätze

La Ferme du Lavoir

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Wir haben 15€ pro Übernachtung bezahlt.

Service: Toilette, Dusche, Ver-/Entsorgung, Strom (im Preis enthalten)

Weitere Infos 

Parkstreifen am Omaha-Strand

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Kostenlos

Wir stehen seit gestern auf der Wiese eines Bauernhofes bei Formigny, fünf Kilometer vom Omaha-Strand entfernt. Wir wollten etwas Geld sparen und haben deshalb nicht den Flower-Campingplatz in Vierville direkt am Strand gewählt. Der sollte 28€ kosten und der Platz auf dem Land nur 10. Das Ende vom Lied: Der Platz hier kostet inzwischen 15€ und der Campingplatz ohne Strom nur 25. Außerdem führt ein großer Teil des fünf Kilometer langen Spazierwegs zum Strand eine lebhaft befahrene Straße ohne jeglichen Fußgängerstreifen entlang.

Unser erster Ausflug an den Strand war dennoch beeindruckend. Beim Betrachten der Beflaggung am Ortseingang von St. Laurent beschlich mich das komische Gefühl: „Alle Nationen sind herzlich willkommen, außer …“ Würde mich mal interessieren, was die Franzosen hier über Deutsche denken. Ist vielleicht alles Quatsch, denn auch das Geld deutscher Touristen ist hier sicher willkommen.

Weil ... alles ist hier irgendwie Omaha, die Ferienwohnungen, das Essen, der Kaffee – Omaha ist ein Markenzeichen für eine Reihe von Produkten. Wer am Strand etwas findet, dass sich der Zahl 1944 zuordnen läßt, macht wohl ein Museum auf. Informationstafeln erinnern an den heldenmütigen Einsatz alliierter Soldaten gegen „an enemy that was so well organized and particularly tenacious“, also gut organisiert und besonders verbissen, was ja fast ein Kompliment ist, aber in diesem Fall wohl eher die Leistung der anderen Seite hervorheben soll. Und wir wissen ja auch spätestens seit Jack Ryan, was das für eine Kraftakt war. Und so stehen wir etwas schwermütig am Strand und fragen uns: „Was müssen die Soldaten in den Landungsbooten bloß gedacht haben, wie müssen sie sich gefühlt haben? Und die deutschen Soldaten oben in den Bunkern?“ Links zu möglichen Antworten findet ihr am Ende des Beitrags.



The Wings of Hope – Rise, Freedom – The Wings of Fraternity

Die tapferen Helden – dies ist hier am Strand das Thema. Und so heißt eines der Denkmäler am Wasser auch „Les Braves“ und das ist in der Tat eine erstaunliche Skulptur, denn je nach Perspektive oder Spiegelung des Sonnenlichts, das sich bei der vorhandenen Bewölkung schon mal schnell ändern kann, sieht das Werk anders aus. Bei Flut steht es im Wasser und so ergibt sich wieder ein anderes Bild.

Marianne war noch genervt vom Hinweg und entschied sich, einen Teil des Rückwegs über einen Landwirtschaftsweg zu wagen – was schon riskant war, denn wir hatten nur ein Handy dabei, dessen Ladezustand den Ausfall der Navigation in naher Zukunft erwarten ließ. So kam es dann auch. Noch dazu fing es an zu regnen und Marianne hatte ausnahmsweise mal keine Jacke dabei. Mit unserer Liegedecke als Umhang stapfte sie verbissen weiter. Ein Franzose versuchte uns unterwegs wortreich, aber wenig effektiv den Weg zu weisen. Schließlich kamen wir doch wieder in Formigny an. So komplex ist das Wegenetz hier ja dann doch nicht.

Heute morgen bin ich dann los, um die Croissants für das Frühstück vom Cocci Market zu holen, zu dem ein Schild mitten in Formigny weist. Gut dass ich mit dem Fahrrad bin, denn der Markt ist im Nachbarort Vierville fünf Kilometer weiter. Ich fahre zurück auf den Hof am Omaha-Strand entlang über Saint-Laurent-sur-Mer. Dabei offenbart sich ein weiterer Nachteil unseres Stellplatzes. Die Wege sind leicht hügelig und heute ist es windig. Marianne hat ihr Pedelec zuhause gelassen und so wird es nichts mit der geplanten Radtour zum Strand.



Die Kirche mit dem merkwürdigen Friedhof drumherum

Wir gehen stattdessen nach Formigny, entdecken dort eine von hohen Hecken gesäumte Nebenstraße um den Ort herum und landen … auf dem Friedhof. Viel gibt es in Formigny ja nicht zu sehen, aber die kleine Kirche (auch eine romanisch-gotische Mixtur) ist sehenswert. Wir schlendern über den Friedhof und wundern uns über die Grabplatten mit den Keramikblumen darauf. Manche Gräber sind relativ neu, andere über 100 Jahre alt, einige gepflegt, andere wohl seit Jahrzehnten unberührt und teilweise verwahrlost, ein paar eingezäunt, andere mit Kreuzen versehen, die wohl aus dem gleichen Rohr gemacht wurden wie die Fallrohre für Regenrinnen. Eine jüngst verstorbene Frau wurde 104 Jahre alt und wir denken darüber nach, wie sie hier wohl gelebt hat. Auf dem Grabstein einer Familie steht „décédés tragiquement, 3. Janvier 2004“ und wir fragen uns, welche Tragik eine ganze Familie auslöschen könnte.

Wir setzen uns auf eine Bank vor der Kirche. Ich bestelle einen Kaffee in der Bar gegenüber. Ein Gast spricht mich auf Französisch an. Ich äußere mit einem „Je ne parle pas français“ mein Unverständnis und er erklärt mir in einem französisch-englischem Kauderwelsch, dass sich meine Bestellung doch ganz gut angehört hat – und versucht es weiter in französisch. Ich verstehe nur Bahnhof. Schade. Hier hätte sich ein interessantes Gespräch ergeben können.


Unser idyllischer Stellplatz auf dem Bauernhof

Zurück auf dem Hof beobachten wir noch eine Weile die beiden Stuten und ihre Ponies auf der abgegrasten Weide neben uns. Unser Stellplatz zwischen den Apfelbäumen ist an sich ganz idyllisch. Wer seine Ruhe haben will, wird es hier eine Weile aushalten.

Aber das wollen wir ja nicht. Das Programm für den letzten Tag hat Marianne gemacht: Pointe du Hoc , eine Stelle etwa 6 Kilometer vom Omaha-Strand entfernt, an der US-Ranger unter hohen Verlusten die Klippen hochgeklettert sind, um oben eine Kanone auszuschalten, sowie der amerikanische Friedhof in Colleville-sur-Mer   . Ich bin skeptisch, kann mir darunter nichts rechtes vorstellen und habe eigentlich keine Lust. Tatsächlich werde ich überrascht. Beide Orte sollte man unbedingt gesehen haben.



Der „Pointe du Hoc“ – die mittlerweile teilweise eingestürzte Landspitze

“Pointe du Hoc“ ist eine Landspitze an der Steilküste der Normandie in der Nähe von Omaha Beach und Utah Beach. Auf einem frei zugänglichen Gelände oben auf dem Plateau erklären Infotafeln auf Englisch und Französisch, was sich hier am D-Day zugetragen hat. Die ehemalige Bunkeranlage hier war ein Teil des Atlantikwalls und bedrohte mit ihren 155-mm-Kanonen die Landung der Alliierten an den Stränden Omaha und Utah. Und hier oben wird für uns der D-Day das erste mal fühlbar. Auf einem knapp einstündigen Rundgang kann man die mehr oder weniger intakten Ruinen der Anlage besichtigen und teilweise auch begehen. Riesige bei einer Explosion meterweit durch die Luft geflogene Betonklötze liegen auf dem mit Bombenkratern übersäten Gelände. Diese begrenzte Perspektive – eine einzige Aktion der allierten Ranger, die Trümmer sowie die Enge in diesen mächtigen Verteidigungsbauwerken – das alles macht die fürchterlichen Ereignisse an diesem Ort in den frühen Stunden des 6. Juni 1944 für uns vorstellbar.

Wir fahren direkt weiter zum Friedhof. Der Parkplatz davor ist riesig, uns kommen Trauben von Menschen entgegen und ich denke: „Ein Friedhof als Touristenattraktion, na toll.“ Aber dann sind wir auf dem Gelände, das sich auf einer Anhöhe befindet, und wenn da nicht Kreuze stehen würden, dann wäre das ein wunderschöner Park. Weitläufiger Blick (und leider gesperrte Treppe) hinunter zum Strand, blitzsaubere Teiche mit Seerosendekoration, saftig grüner Rasen und Formgehölz.

Die Gedenkstätte des Friedhofs besteht aus einem bogenförmigen Säulengang, in dessen Mitte eine sieben Meter hohe Bronzestatue („Spirit of American Youth Rising from the Waves“) die Hände gen Himmel reckt. Die Inschrift auf dem Sockel: „Mine eyes have seen the glory of the coming of the Lord“ – die erste Zeile eines patriotischen Liedes  aus dem Bürgerkrieg der USA. An beiden Enden des Säulengangs befindet sich je eine Loggia, an deren Mauern etwa fünf Meter hohe Karten in den Stein gemeißelt sind, auf denen man die aufeinander folgenden Phasen der Schlacht nachvollziehen kann: die Aktion der Luftlandetruppen, den Landeplan der Schiffe, die Kämpfe auf den vier Stränden.


Das Mosaik an der Decke der Kapelle mitten auf dem Gräberfeld (Quelle: Charles G. Delahaye CC BY-SA 4.0)

Eine kleine runde Kapelle steht mitten unter den Gräbern. Das farbige Mosaik dort an der Decke symbolisiert „Amerika, das ihre für die Freiheit kämpfenden Söhne segnet und Frankreich, das einen Lorbeerkranz unter den gefallenen Amerikanern niederlegt, die ihr Leben für die Befreiung des unterdrückten Europas gaben.“ Für uns Deutsche ist diese geballte Ladung Pathos sicher ungewohnt.

Ja, und dann die weißen Marmorkreuze – über 9.000 Stück. Große Zahlen sind für uns ja immer schwer vorstellbar, aber diese Masse macht die Zahl der US-Soldaten greifbar, die hier gefallen sind. Ich habe auf dem Friedhof nicht fotografiert, weil ich finde, keine Bilderserie kann die Stimmung auf diesem Gelände auch nur ansatzweise wiedergeben. Das muß man schon selber erleben. Wer trotzdem was sehen möchte, kann sich dieses amerikanische Youtube-Video  ansehen.

Nicht weit entfernt in La Cambe gibt es übrigens auch einen deutschen Friedhof mit 21.000 Gräbern. Guido Knopp hat beide in einem kurzen Text verglichen (Ein Friedhof für die Freiheit ).



Übernachten am Omaha-Strand (hinten auf der Klippe der Flower-Campingplatz)

Wir bleiben noch einen Tag hier. Auf dem Parkstreifen an der Straße direkt am Strand entlang stehen nachts immer ein paar Wohnmobile. Heute sind wir dabei. Den Tag morgen werden wir bei besten Wetter am Wasser verbummeln.

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