Wir sind auf dem Weg nach La Rochelle und machen ein paar Tage Rast auf dem Campingplatz bei Saint Cado. Die Gegend ist bekannt für ihre Dolmengräber und das ehemalige Haus vom Wächter der Austernbänke auf der winzigen Insel Nichtarguer, die bei Flut nur einen Durchmesser von etwa 25 Metern hat.
Wir stehen auf dem Campingplatz St. Cado Webseite des Betreibers
, und das ist von der dekorativen Gestaltung her der am „wohnlichsten“ eingerichtete Platz den wir kennen. Wir finden in vielen Ecken Kunstblumen oder kleine Skulpturenparks aus Dekor- und Alltagsgegenständen. Nett.
Unser Campingplatz
Das zur Gemeinde Belz gehörende Dorf Saint Cado liegt auf einer Halbinsel im Mündungsbereich der Etel. Hier hat das Meer den Flusslauf erobert und eine Vielzahl von beschaulichen Buchten und kleinen Inseln geschaffen. Anders als Fjorde oder Förden, die wandernde Gletscher ausgefräst haben, wird dieser Küstentyp durch vom Meerwasser überflutete Flußtäler gebildet und Ria genannt. Das Etel-Ria bildet praktisch ein etwa 22 km² großes „Binnenmeer“. An der Mündung zwängt sich der Fluß durch die Wandersandbank Barre d'Etel
, die dem gleichnamigen Ort einen langen Badestrand (fast) ohne Kieselsteine beschert.
Der ehemalige Sardinenfischerhafen Saint Cado ist vor allem wegen des pittoresken Häuschens mit den blauen Fensterläden auf der winzigen Insel Nichtarguer bekannt, in der einst ein Austernzüchter mit seiner Familie wohnte. In manchen Texten (vor allen den automatisch übersetzten) wird der Bewohner auch als Wächter des Austernparks (le gardien du parc ostréicole) bezeichnet. „Austernpark“ würde ich mal mit „Austernbank“ (siehe Tischkulturen ) übersetzen – warum man die aber bewachten sollte … keine Ahnung.
Île de Saint Cado
Eine schmale Straße auf einem Damm führt zur Île de Saint Cado , auf der man eine Kapelle besichtigen kann. Der Legende nach lebte der walisische Mönch und spätere Heilige Cado hier und wollte eine Brücke zum Festland haben. Der Teufel bot ihm an, diese zu errichten, verlangte dafür aber die Seele des ersten Lebewesens, das diese überquerte. Cado willigte ein, der Teufel baute die Brücke in der Nacht und morgens warf der Mönch eine Katze auf den Übergang. Der betrogene Teufel wird sich wohl die Seele aus dem Leib geflucht haben. So sollen allerdings über 100 Brücken in Frankreich entstanden sein, was Zweifel an der geistigen Gesundheit des französischen Teufels aufkommen läßt. Der deutsche ist aber auch nicht viel besser, wie wir vor zwei Jahren in Bad Bentheim
erfahren haben.
Kapelle
Wir machen einen Spaziergang um die kleine Insel – am besten im Uhrzeigersinn. Dann kann mann die erste Verschnaufpause gleich hinter dem Damm am Souvenirladen machen, während sich frau die Postkarten anschaut. Außerdem endet der kurze Spaziergang dann mit einem schönen Ziel – der Kapelle des heiligen Cado. Auf dem Weg dorthin kommen wir an mehreren Austernbänken vorbei und auch in weiterer Ferne gibt es jede Menge davon. Klar, zu sehen sind die nur bei abgelaufenem Wasser.
Mönche aus Quimperle haben hier im 11. bis 12. Jahrhundert ein Kloster eingerichtet und weil in der Bretagne jeder der vielen Heiligen für irgendein Leiden zuständig ist (in diesem Fall Schwerhörigkeit), wurde die Kapelle mit der Zeit zum Wallfahrtsort. Im Seitenschiff ist ein kleiner Altar mit einer Nische (im Volksmund „Cados Bett“ genannt). Hier können taube oder schwerhörige Menschen ihren Kopf hineinlegen, um geheilt zu werden. Als wir in der Kirche waren, legte sich doch tatsächlich ein älterer Herr auf den kalten Fußboden und schob seinen Kopf in die Nische. Ob’s geholfen hat? Ich konnte ihn leider nicht fragen, aber mein Schatzi würde es bestimmt gerne sehen, wenn ich das mal ausprobieren würde. Der Brunnen am Fuß der Kapelle (nur bei Ebbe zu sehen) muss wohl eine ähnliche Heilwirkung haben in Anbetracht der vielen Cents, die darin liegen. Eine Münze werfen ist ja auch bequemer ...
Neben der Kirche liegt der 1822 erbaute Kalvarienberg von Saint Cado. Früher wurde hier statt in der Kapelle am Tag des Pardon die Messe zelebriert. Als Kalvarienberg bezeichnet man ungefähr lebensgroße Nachbildungen des Leidens Christi an einem erhöhten Ort, oft nur die Kreuzigungsgruppe, aber auch umfangreichere Skulpturengruppen des Leidensweges. Eine besondere Art solcher Stätten befindet sich in den umfriedeten Pfarrbezirken
. Dort sind in einer einzigen, manchmal monumentalen Skulptur unter einer aufragenden Kreuzigungsgruppe vollplastisch Szenen der Heilsgeschichte und des Lebensweges Jesu Christi dargestellt. Wir haben uns einige dieser Bezirke (unter anderem in Saint Thégonnec
) letztes Jahr angesehen.
Ein weiteres Wahrzeichen der Gemeinde Belz, zu der Saint Cado gehört, ist die Pont-Lorois, die einzige Brücke, welche das Ria d'Étel überquert. Von dort oben hast du einen hervorragenden Ausblick ins Ria und bei Ebbe sind auch die Austernbänke gut zu sehen.
Port Niscop
Am Fuß des Bauwerks liegt Port Niscop, eine abseits der hier starken Strömung liegende, ruhige Bucht, in der sich wohl deshalb früher Werften befanden. Vom Campingplatz aus führt ein etwa zwei Kilometer langer, schöner Teil des Küstenwanderwegs (GR 34 ) hierhin.
Nicht weit vom Kai des Hafens entfernt (hinter dem Cafe du Port mit der Holzskulptur davor) liegt eine Gedenkgrotte, die von den Seeleuten zum Andenken an ihre auf dem Meer gestorbenen Gefährten errichtet wurde. Seit Mai 2024 ist die Grotte allerdings wegen „Steinschlaggefahr“ durch ein unschönes Metallgitter verschlossen.
Am Meer
Der Wanderweg führt weiter an der Küste entlang und ich bin mal ein Stück bis zur nächsten Landspitze gegangen. Dabei kommst du immer wieder an lauschigen Plätzen mit schöner Aussicht vorbei und kannst dich beim Beobachten der Angler oder des Schiffsverkehrs herrlich entspannen. Der Weg geht noch ein ganzes Stück weiter, aber in der Nähe von Etel wird es kompliziert und so fahren wir mit dem Fahrrad die etwa 5 Kilometer lange Strecke, stellen die Räder an der Tourist Info ab und gehen von dort aus den Sandstrand entlang bis zur Mündung – nicht sehr gut zu laufen im trockenen, feinen Sand, aber so weit ist das ja nicht.
Beim Picknick beobachten wir das erste Mal Seeschwalben, wie die sich im Sturzflug ins Wasser fallen lassen, um ihre Beute zu packen. Faszinierend. Ich versuche die Vögel im Flug zu fotografieren, aber die sind so schnell … keine Chance. Wer die flinken Akrobaten mal sehen möchte, kann sich dieses Video bei Youtube ansehen (mit Sturzflug in der 50. Sekunde).
Auf der anderen Seite der Flussmündung sehen wir die Signalstation, an deren Mast den Schiffen mit Flaggen, Bällen und Zeigern signalisiert wird, ob sie ins Ria einfahren sollten oder nicht. Ich habe keine Information darüber gefunden, ob es in der Station einen Wärter gibt, einer dafür kommt oder die Signale ferngesteuert werden. Aber eine Ferienwohnung ist da drin – einfach mal nach „Madame Vacances Semaphore d'Etel“ googeln. Das Doppelzimmer kostet im August etwa 250 Euro.
Wir sind über die Rue d’Etel und Rue Victor Hugo, also auf der südlichen Seite des Flusses nach Etel gekommen. Du kannst aber auch vom Campingplatz bzw. Belz aus erst über die Lorois-Brücke fahren und dann die nördliche Route nehmen. Die ist erstens schöner und zweitens kommst du dann bis zur Signalstation. Und da liegen noch ein paar Felsen und ein Ausguck (?) am/im Wasser. Bei windigem Wetter und entsprechend Wellengang ist das eine spektakuläre Ecke. Ein paar Impressionen von unserem Ausflug:
Liebhaber von Lost Places können sich auf dem Rückweg noch den Schiffsfriedhof ansehen. Etwas weiter vom Hafen in Magouër geht auch ein Fähre über den Fluss zum Hafen von Etel. Dort ist die Gastronomie doch etwas vielseitiger. Wollen wir eigentlich machen, aber der Fährmann hat gerade Mittagspause.
Macht nichts. Fahren wir eben denselben Weg zurück. Ist ja auch schöner. Kaffee gibt es dann in der etwas versteckt liegenden Tappas-Bar in Saint-Cado – diesmal statt Crêpes mit hausgemachtem Tiramisu aus dem Glas. Lecker.
Zöllnerpfad (GR 34)
Der oben erwähnte Küstenwanderweg ist übrigens der Lieblings-Fernwanderweg der Franzosen und lang … ziemlich lang: Er schlängelt sich über 2000 Kilometer vom Mont St. Michel bis Saint Nazaire an der Küste der Bretagne entlang. Auf dem 1791 angelegten Weg patrouillierten einst bei Tag und Nacht und jedem Wetter die Zollbeamten, um Schmugglertätigkeiten und Wrackplünderungen zu unterbinden. Deshalb heißt die Strecke heute auch Zöllnerpfad.
Gut, über die Etel-Mündung kommt keiner trocken hinüber, und so führt der „offizielle“ Teil des GR 34 ein paar Kilometer ins Ria, über die Lorois-Brücke und dann wieder zurück ans Meer. In den Karten des Touristik-Büros (gibt es am Campingplatz) allerdings sind ein paar Abzweigungen des GR 34 hinter der Brücke verzeichnet, die die Wanderer durch Belz (und damit Saint Cado) sowie die benachbarten Etel und Erdeven führen. Da haben die Stadtmarketing-Manager wohl versucht, Touristen über die Popularität des Küstenwanderwegs in diese Gemeinden zu leiten.
Das finden wir aber in Ordnung, denn der Weg ist auch um Saint Cado herum richtig schön:
Menhire
Sechs Kilometer vom Campingplatz entfernt in Erdeven könnte es sein, dass Feld von Appendix, in dem er die Hinkelsteine von Obelix aufgestellt hat. Nein im Ernst, Erdeven ist viel zu weit weg von Erquy , dem Ort, an dem sich das Dorf der unbeugsamen Gallier befunden haben soll. So genau weiß man das aber gar nicht. Die Gegend in der Nähe vom Mont St. Michel
kommt auch in Frage.
Das Menhirfeld Les Alignments de Kerzerho zusammen mit den Riesen von Kerzerho
ist mit 190 Menhiren nach Carnac
die bedeutendste der bretonischen Megalithen-Stätten. Ursprünglich waren es viel mehr, aber beim Bau einer Straße ist einiges davon zerstört worden. Wenn du mehr sehen möchtest, dann wäre das zehn Kilometer entfernte Carnac ein geeignetes Ziel. Wir waren letztes Jahr dort (unser Artikel
dazu) und uns hat da neben den Steinreihen auch das Umfeld mit vielen Spazierwegen gut gefallen.
Obelix kann übrigens mit den Menhiren nichts zu tun gehabt haben, denn als der korpulente Gallier in den Kessel mit Zaubertrank gefallen ist, da standen die Steine hier schon 5000 Jahre in der Gegend herum. Damit sind diese Formationen etwa 1000 Jahre älter als Stonehenge.
Nach sechs ruhigen Tagen mit einigen Spaziergängen in dieser beschaulichen Gegend verlassen wir den Ort und machen uns auf den Weg nach La Rochelle. Das sind 280 Kilometer. Mal schauen, ob wir das an einem Tag schaffen. Saint Cado verabschiedet sich von uns mit einem prächtigen Sonnenuntergang.