Wir haben unser erstes Ziel in der Dordogne erreicht. Das 26.000-Einwohner-Städtchen Bergerac mit der mittelalterlichen Altstadt war einst eine protestantische Hochburg, aus der die Katholiken hinausgeworfen wurden. Beide Seiten haben sich nichts geschenkt. Heute wartet in der Altstadt einiges an Gastronomie auf neue Gäste. Kenner schwärmen vom goldenen, likörsüßen Monbazillac, dem klassischen Begleiter der regionalen Spezialität: Enten- oder Gänsestopfleber (arrgh …)

Ein schattiger Platz auf der Wiese

Wir brauchen mal wieder eine Dusche und haben uns in Bergerac  auf dem kommunalen Campingplatz La Pelouse  (auf deutsch: die Wiese) direkt am Ufer der Dordogne eingenistet. Alle Stellplätze hier liegen im Schatten, da wir aber zur Zeit relativ viel fahren, brauchen wir uns um Strom keine Gedanken zu machen. So kostet uns der Platz etwa 15 Euro pro Nacht, was im Vergleich zu den 14,50 Euro auf dem Stellplatz in La Rochelle (ohne Duschen und Toiletten) schon sehr günstig ist. Die Sanitäranlagen sind allerdings … na ja, … etwas älter. Unter dem Schlagwort „Campingplatz, gepflegt“ würde ich La Pelouse jetzt nicht gerade einordnen. Aber ich habe schon schlechter geduscht.

Übergang in die Altstadt

Für alle, die wie wir hier am Sonntag ankommen, wenn die Rezeption nicht besetzt ist: Am Büro hängt eine Info mit einer Telefonnummer, unter der du einen Zugangscode für die Schranke bekommst. Die Tastatur zur Eingabe desselben liegt allerdings etwas zurück, was frau nicht unbedingt sieht, wenn mann mit dem Auto davor steht.

Ausblicke von der Brücke

Die Altstadt von Bergerac liegt praktisch gegenüber dem Campingplatz, aber da sich der Fluss dazwischen drängelt, gehen wir den kleinen Umweg über die Brücke Saint-Jean und genießen einen Moment lang den Ausblick von dort oben. Ab und zu kommt auch eins der beiden als Gabarre  verkleideten Touristenboote vorbei, die ihre Gäste einmal um eine Insel im Fluss herum und dann ein Stück flussaufwärts und wieder zurück schippern – dauert etwa 50 Minuten und kostet 12 Euro. Mit Weinverkostung unterwegs wird es etwas teurer (siehe hier  ). Der Anbieter bewirbt die Fahrten auf seiner Webseite unter anderem so:

In the footsteps of Cyrano, the wine and country houses route, come and discover on board our boats the history of inland waterways and the great historical facts of the old town of Bergerac.

Kann dieser Cyrano etwa keinem in die Augen schauen?

Die historischen Erklärungen der BootsführerInnen wären sicherlich interessant, aber mein Französisch hat sich seit Reisebeginn nicht wesentlich verbessert, und daher hält sich der Nutzen so einer Fahrt für uns in Grenzen. Interessant finde ich ja den Beginn des Werbetextes: „In den Fußstapfen von Cyrano, …“. Damit kann ja nur der Held des Versdramas Cyrano de Bergerac  (erkennbar an der ausgeprägten Nase) gemeint sein, dem die Stadt auch an zwei Stellen ein Denkmal setzt, und nicht der echte Cyrano des Bergerac , auf dem diese Geschichte lose basiert, der aber eigentlich Hector Savinien de Cyrano hieß und rein gar nichts mit der Stadt Bergerac zu tun hatte, weshalb er hier auch keine Fußstapfen hinterlassen konnte. Interessanter Typ übrigens, der echte Cyrano. Wie dem auch sei, ich finde es jedenfalls gut, wenn mich das gelungene Stadtmarketing von Bergerac wieder mal an den Film Roxanne  mit Steve Martin erinnert. In dieser Adaption bleiben die beiden Männer wenigstens (länger) am Leben.

Mit der Eisenbahn kam das Ende

Die Gabarres waren übrigens das Transportmittel für Waren nicht nur auf der Dordogne. Dieser Typ von Segelschiff hat einen abgerundeten Bug und einen umklappbaren Masten, um unter Brücken hindurch fahren zu können. Manchmal wurden die Schiffe von einer kleinen Gabarre (Gabbarot) beleitet. Die Boote brachten Wein nach Bordeaux (z. B. mehr als 96.000 Fässer im Jahr 1869) und von dort Lebensmittel und Baumaterial zurück nach Bergerac. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn begann der Niedergang der Flussschifffahrt, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts endete. Am Kai Cyrano liegen noch zwei dieser alten Kähne aufgebockt.

Neben dem Weinhandel war Tabak seit Jahrhunderten ein weiteres wirtschaftliches Standbein der Stadt. Davon erzählt das Tabakmuseum  in der Maison Peyrarède, einem Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert in der Altstadt. Auf der oben verlinkten Touristikseite von perigord.com wird betont, dass es sich hierbei nicht um ein Werbeinstrument handele, sondern um ein Museum, das nicht nur für Raucher gedacht sei, denn Rauchen ist ja bekanntermaßen gesundheitsschädlich.

Wer mit Tabak überhaupt nichts anzufangen weiß, könnte ja stattdessen das Museum der Stadt, des Weins und der Binnenschifffahrt  besuchen. Wir haben es zwar nicht überprüft, aber unserer Erfahrung nach konzentrieren sich Museen in diesem Teil von Frankreich (anders als in der Normandie oder Bretagne) doch sehr auf die Landessprache.

Place de la Mirpe: Schöner Platz mitten in der Altstadt

Der bunte Cyrano auf dem Sockel vor der Kirche schaut nach oben. Ist das nun Hochnäsigkeit oder schämt er sich wegen seines unförmigen Riechkolbens? Vielleicht hat der Bildhauer aber auch diese Stellung gewählt, damit Betrachter davor die Proportionen der Nase gut erkennen können.

Der farblose, alte Cyrano steht auf dem – wie ich finde – schönsten Platz in der Altstadt. Am Rande vom „Place de la Mirpe“ stehen auch die Tische einer Restaurant-Eisdiele. Wer wie wir dort eine Mahlzeit einnimmt, kann die Fassaden der Häuser eine Weile auf sich wirken lassen. Nach einigen Verständigungsschwierigkeiten (und Bedenken) nehme ich das Tagesgericht, „sauté de porc au curry“, was der Kellner mit „Piece of pig“ übersetzt. Es kommt dann aber Schweineragout. Und die angekündigten „Frites“ sind eine Art von Kartoffelchips, wie ich sie noch nie gegessen habe … alles sehr lecker. Dazu gab es – man glaubt es kaum – ein Paulaner Weißbier.

Street Art in der Altstadt

Ich bin ja ein ausgesprochener Street-Art-Fan und überrascht, hier in der Altstadt so hochwertige Arbeiten zu finden. In der Streetart-Gallery  findest du weitere Bilder vom zweiten Art-Tak-Festival 2023 in Bergerac (und hier von 2022  und 2024 ). Zum diesjährigen Art Tak  vom 29. bis 30. Mai haben sich 13 Künstler angemeldet. Dann sind wir zwar nicht mehr hier, wären aber in der Nähe. Mal sehen, vielleicht kann ich mein Schatzi überreden …


Warnung vor Überflutung (Bild 1 oben, Bilder 2,3,4 unten)

Tja, und dann der Regen … nein, nicht der sehenswerte Film von Icíar Bollaín , sondern der echte Niederschlag am zweiten Tag unseres Aufenthalts. Gewitter und ergiebiger Regen sind angekündigt und wir stehen direkt am Ufer eines Flusses. Und Google liefert bei der Suche nach „Wetter Bergerac“ plötzlich ein Ergebnis wie rechts im Bild (einige Tage später aufgenommen von einer anderen Stadt ohne Überflutungsgefahr): „Warnung: Gewittergefahr“ und wenn ich auf den Link „Mehr“ klicke, dann kommt Bild 2 und da kann man auf „Empfohlene Maßnahmen“ klicken: „Nicht nach draußen gehen“ und „erhöhte Plätze aufsuchen.“ Alles in englisch. Und nicht mehr.

Ich denke erst, das ist wohl ein Scherz. Hat da jemand Google gehackt oder diesen Text als Anzeige unter geschoben? Ich werde leicht nervös, recherchiere bei deutschen Wetterdiensten und finde keine weiteren Hinweise auf eine Gefährdungslage. Dann klicke ich (in Bild 2) auf den Link Météo France  und komme auf den staatlichen (?) Wetterdienst (Bild 3). Dort stoße ich rechts oben auf „Vigilance météo“ (Wetterwarnung). Ein Klick darauf führt zu Bild 4, wo man dann drei Bereiche auswählen kann: Orages (Gewitter), Avalanches (Lawine/Erdrutsch) und Crues (Überschwemmung). Je nach ausgewähltem Bereich erscheinen die Gebiete auf der Karte mit der entsprechenden Warnstufenfarbe. Die Dordogne ist bei der Wahl von Überschwemmungen gelb.

Fassaden aus Naturstein und Fachwerk

Na toll, denke ich, müssen wir uns jetzt Sorgen machen? Dann stoße ich allerdings über diese letzte Seite auf eine Karte mit den Flüssen Frankreichs, in der die gefährdeten Teilstrecken genauso farblich markiert sind. Die Dordogne bei Bergerac ist grün. Die Problemzonen sind zwei Zuflüsse weiter oben. Uff. Das ist doch mal ein erstklassiges System – wenn man damit umgehen kann.

Blick auf den Kai vom anderen Ufer aus

Bergerac ist ganz nett. Herausgeputzte Fassaden aus Naturstein und Fachwerk sowie mehrere idyllische Plätze – das alles konzentriert sich jedoch auf einen eher kleinen Stadtteil. Das hast du schnell abgelaufen. Die Punkte für den Fluss, die Brücke und das grüne Umfeld samt den Spiegelungen im Wasser kommen bei schönem Wetter noch hinzu. Und Streetart-Fans finden hier ja auch einige Sehenswürdigkeiten. Und mit Cyrano könnte man sich bei der Gelegenheit auch mal (wieder) beschäftigen.

Ein voll entspannter, wohl an Touristen gewöhnter Kater

Es gibt ja Leute (im Netz), denen ist das zu wenig. Die könnten dann mal unser nächstes Ziel anfahren: Die Bastide  Monpazier ist für mich die mittelalterliche Kulisse schlechthin. Vorher fahren wir unseren Pössl aber noch in eine Waschstraße, denn die nicht wenigen Vögel in den Bäumen von La Pelouse sondern eine blaubeer-marmeladen-ähnliche Flüssigkeit ab, die sich mit Wasser nur schwer entfernen lässt. Tja, irgendwas ist immer …