La Roque-Gageac liegt am Fuße eines hoch aufragenden Kalksteinfelsens am Ufer der Dordogne und bietet Besuchern ein Gewirr von mit Kopfstein gepflasterten Straßen, eine Höhlenburg, eine romanische Kirche und eine tropische Vegetation, in der sogar Bananen wachsen. In der Liste der schönsten Dörfer Frankreichs ist es eines der ältesten Mitglieder.
Wir stehen wieder auf einem Campingplatz
und wollen dort erst mal drei Tage bleiben. In der ersten Reihe war leider kein Platz mehr und so ist unser Blick auf die Dordogne nicht frei von Blech.
Das Dorf La Roque-Gageac hat 449 Einwohner und ist berühmt für seine reizvolle Lage in einer Schleife der Dordogne am Fuß einer hoch aufragenden, nach Süden ausgerichteten Felsklippe, die dem Ort sein nahezu mediterranes Klima und die tropische Vegetation verleiht. Schon die Menschen in der Steinzeit schätzten die klimatisch bevorzugte Lage, was die zahlreichen Artefakte aus dieser Zeit bezeugen, die man im Boden von Gärten und Feldern gefunden hat.
Auf dem Wasser
Am Ufer der Dordogne zeigt sich, zu welch spektakulären Kulissen die Natur fähig ist. Dichte Wälder tauchen die Landschaft in tiefes Grün, dazwischen ragen Felswände in die Höhe, der ockerfarbene Stein spiegelt sich im Fluss. Die Fassaden der kleinen Häuschen kannst du am besten bewundern, wenn du dich auf dem Fluss befindest. Dazu könntest du an Bord eines der Boote gehen, die den berühmten Lastkähnen vergangener Zeiten nachempfunden sind: den Gabarres . Die traditionellen Flachbodenboote dienten einst zum Transport von Gütern entlang der Dordogne. Viele fuhren nur den Fluss hinunter, weil sie bei der Ankunft zerlegt und als Brennholz verkauft wurden.
Unser Weg ins Dorf
Etwas anstrengender ist die Fahrt mit dem Kajak oder Kanu. Michael Neumann ist hier mit Kindern gepaddelt und hat einen schönen Bericht darüber geschrieben. Die 490 km lange Dordogne ist dank ihrer vielfältigen Natur mit malerischen Tälern und Felsen, den gut erhaltenen und restaurierten Dörfern und Burgen sowie dem seichten Flusslauf (max. Wildwasserstufe II) das bevorzugte Ziel vieler Kanuten. Das milde Klima lockt jährlich zahlreiche Einsteiger und Familien in die Region. Für das Flusspaddeln ist vor allem der rund 150 km lange Flußabschnitt zwischen Argentat und Limeuil interessant. Warum das so ist, das erklärt euch Christian
.
Das Dorf
Kaum haben wir uns am Campingplatz eingerichtet, machen wir unseren ersten Spaziergang ins Dorf, das etwa einen Kilometer stromaufwärts liegt. Zunächst führt uns ein schmaler Patt neben der Straße entlang und dann geht es über die „Chemin de Choucas“ einen kleinen Umweg den Berg hoch und wieder herunter. Und dieser reizvolle Weg stimmt dich gleich ein auf den Charme von La Roque Gageac: Blick auf die Dordogne und das Dorf von einer Anhöhe aus, altertümliche Natursteinmauern und -fassaden, Kopfsteinpflaster, rote Dächer, blaue oder rote Fensterläden, überall grünes Buschwerk mit roten Blüten und der mächtige Fels im Hintergrund.
Wir kommen auch am Schloss Malartrie vorbei, das in der Zeit des Historismus
um 1900 im Stil des 15. Jahrhunderts errichtet wurde und so zum Ortsbild passt. Stilistisch folgt die Gestaltung der im 19. Jahrhundert einsetzenden Rückbesinnung auf Schönheiten und Werte vergangener Zeiten, die im Zuge der Romantik
fast alle Kunstgattungen erfasste.
Die schmale Gasse führt dann an die Hauptstraße, wo sich Restaurants, Cafés und Läden mit den üblichen Urlaubsartikeln aneinander reihen. Der Autoverkehr tut ein Übriges, um die Attraktivität der Meile weiter zu senken. Wenn dein Magen also noch nicht knurrt und auch sonst kein Einkaufsbedarf besteht, dann solltest du hier den Parkplatz links liegen lassen und wieder ein Stück hinauf in die Rle de la Vierge einbiegen, und das Dorf sozusagen von der zweiten Reihe aus erkunden. Was für ein Unterschied:
Fort Troglodyte
Immer noch auf dem „Höhenweg“, der inzwischen „Rte de Chanoine Tarde“ heißt und mit Kopfsteinen gepflastert ist, kommen wir am Eingang zum Fort Troglodyte vorbei, der Höhlenburg, zu der eine mit Holz verkleidete Eisentreppe hinauf führt. Die werde ich mit nun anschauen, während Marianne weiter geht und das Bambuslabyrinth entdeckt.
Well, love is all around me … die nach der englischen Pop-Band „The Troglodytes“ (später The Troggs ) benannte Burg … nein, ohne Spaß – Troglodytes sind einfach Höhlenbewohner. Hatte ich auch nicht mehr auf dem Schirm. Also nochmal:
„Die Festung von La Roque Gageac aus dem 12. Jahrhundert befindet sich im Felsen 120 m über der Dordogne und bietet einen außergewöhnlichen 180°-Panoramablick auf das Tal.“
So beginnt die Werbung auf den Tourismusseiten von Perigord.com . Da bin ich aber mal sehr gespannt, bezahle die sieben Euro Eintritt, nehme das deutschsprachige Infoblatt entgegen und steige die 140 Treppen hoch. Oben angekommen sehe ich … eine Ruine. Überspitzt formuliert: Reste einer Festungsmauer, die für sich genommen (zum Beispiel am Rhein stehend) keinen Hund hinterm Ofen hervorlocken würde. Hier aber haben die Leute die Steinreihe schon gut in Szene gesetzt:
Das beginnt schon mit dem Aufstieg über die Treppe mit der ständigen Aussicht auf den Fluss (langsam gehen und genießen). Dann die ruinöse, aber perfekt restaurierte Mauer vor einer Grotte in der Felswand – so etwas gibt es am Rhein natürlich nicht. Okay, ein Teil der Höhlendecke ist 2010 eingestürzt. Der verbliebene Teil wurde mit grauen Betonstützen abgesichert und mit einem Überwachungssystem ausgestattet, das Veränderungen im Fels registriert und meldet. Die Stützen sind mit Bildern historisch bedeutsamer Personen und französischen Infotexten tapeziert, die sich zum Teil auf meinem Infoblatt befinden. Vor dem kollabierten Teil befinden sich zwei Leinwände, auf dem ein französischer Animationsfilm (mit englischen Untertiteln) zeigt, wie Höh(l)enburg sowie Festungsanlage am Fuß des Felsen mal ausgesehen haben (könnten). Leider gibt es im „Museumsshop“ dazu nichts Schriftliches. Auch im Netz werde ich später so gut wie keine historischen Informationen zur Anlage finden. Das vierseitige A5-Infoblatt vom Empfang ist noch das Beste und gibt zumindest einen groben Überblick zur historischen Entwicklung.
Last but not least: Die hervorragende Aussicht besonders an zwei exponierten Stellen, die für einige Besucher wohl der einzige Nutzen dieser Anlage sein mögen. Dort befinden sich Panaroma-Richtungs-Tafeln (oder wie heißen die Dinger?) und auch ein Fernglas steht bereit.
Sollte man hierfür sieben Euro ausgeben? Na ja, es gibt ja schon einige dieser Anlagen, aber wer wie ich zwar schon viele Burgruinen gesehen hat, aber noch nie eine vor einer Grotte, für den ist diese aufgeräumte Umgebung schon cool, aber auch etwas surreal – etwa wenn du aus dem Höhleninneren durch die schweren Metallketten nach draußen blickst oder wenn du vor diesen massiven grauen Betonstützen stehst, die man ja auch etwas unauffälliger hätte anstreichen können. Und für Leute mit leichter Höhenangst sind Orte wie dieser ja per se aufregend.
Unser Basiscamp
Marianne und ich sind von diesem Dorf begeistert. Und weil der Campingplatz so preiswert ist, La Roque Gageac etwa im Zentrum der Sehenswürdigkeiten liegt, die wir noch besuchen wollen, und das Wetter weiterhin sonnig bleiben soll, verlängern wir unseren Aufenthalt auf eine Woche. Der Stellplatz ist sozusagen unser Basiscamp, von dem aus die Gegend auf Tagesausflügen mit dem Rad oder Pössl erkundet wird. Die Entscheidung fällt uns auch deshalb leicht, weil am zweiten Tag der Platz vor uns in der ersten Reihe frei wurde und wir fix umgezogen sind. Jetzt stört nur noch der Zaun.
Das spezielle „Unterhaltungsprogramm“ der Gegend ist auch neu für uns: Etwa alle 30 Minuten kommt eins dieser Gabarren vorbei (manchmal auch zwei oder drei gleichzeitig) und was die Paddler betrifft ist hier am Wochenende soviel Betrieb wie bei uns auf den Radwegen am 1. Mai. Morgens und abends schauen die Heißluftballons vorbei und es scheint fast so, als lägen deren Piloten im Wettstreit miteinander, wer von ihnen am elegantesten einmal kurz die Wasseroberfläche antitschen kann. Einmal hat Marianne sogar gesehen, wie einer der Ballons so niedrig ein Stück den Fluss entlang trieb.
Die Gärten von Marqueyssac
Vom Campingplatz aus kann man oben auf dem Felsen eine Aussichtsplattform sehen, und wir haben uns schon bei der Ankunft gedacht, dass die Aussicht von dort oben wohl herrlich sein muss. Heute ist es soweit. Marianne hat herausgefunden, dass die Plattform ein Bestandteil der Gärten von Marqueyssac ist, die wir uns sowieso ansehen wollen. Wir fahren die zwei Kilometer mit dem Rad dorthin. Am Ende geht es ganz schön bergauf, so dass ich nach langer Zeit mal wieder meinen Drahtesel schiebe.
Das Areal ist praktisch ein Schlosspark oben auf der Klippe. Wir verschmähen das Kombiticket mit Schloss Castelnaud für 24 Euro, bezahlen nur die 12,90 Euro Eintritt für den Park, und bewundern erst mal zwei von den drei ans Publikum gewöhnte Pfauen, die hier überall rumlaufen und das Gelände ausdauernd beschallen.
Wenn du im Netz Bilder von den Gärten suchst, dann tauchen zuerst die ordentlich frisierten Buchsbaumhecken auf, mit denen auch der Rundgang beginnt. Die sind in der Tat spektakulär, und wenn nicht gar einzigartig, so doch selten. Der Rest sind zwei gut gepflegte, insgesamt sechs Kilometer lange Spazierwege, einmal die Felsen entlang (la Promenade des Falaises) und einmal über den Gipfel (la Promenade des Hauteur).
Kunstvolle Gartenanlagen besuchen und einfach nur spazieren gehen ist mit Kindern ja nicht so einfach. Hier allerdings sind Familien wohl ausdrücklich willkommen, denn es gibt einige Picknick-Gelegenheiten sowie Spiel- und Abenteuer-Installationen. Wir haben Hängematten entdeckt, Baumhäuser, eine Hängebrücke, einen Spielplatz und die labyrinthartige Anlage der Buchsbaumsträucher wie dem Wegenetz überhaupt könnte man ja auch zu den Spaßfaktoren zählen.
Irgendwann während des Rundgangs habe ich begonnen mir einen Foodtruck zu wünschen, und wie von Zauberhand war er auf einmal da. Die kleine Crêperie mit den Tischen im Buchsbaumgarten war für so einen Hotspot sogar richtig preiswert. Natürlich gibt es direkt am Schloss auch ein richtiges Restaurant mit fabelhafter Aussicht von der Terrasse aus, aber der Unterschied zwischen dem vielstimmigen Gebrabbel im hellen Sonnenlicht dort und der entspannten Ruhe hier im fast leeren schattigen Buchsbaumgarten ist schon krass.
Leben am Fluss
Heute ist Freitag, der 30. Mai 2025 und im Schatten ist es 34 Grad heiß. Ich kann mich nicht erinnern, mal freiwillig ein Bad in einem größeren Fluss mit so starker Strömung genossen zu haben. Eigentlich wäre es jetzt an der Zeit. Die Dordogne ist schließlich einer der saubersten Flüsse Frankreichs. Stattdessen sitze ich im Pössl, schwitze und schreibe an diesem Text.
Bis mich mein Schatzi überredet. Absolut geil. An Schwimmen ist natürlich nicht zu denken. Ich will ja nicht hunderte von Metern barfuß zurück laufen. Aber sich flach hinlegen ins oberschenkeltiefe Wasser, gegen die Strömung stemmen und versuchen, nicht weggerissen zu werden – das hat schon was.